portrait
: Der alte Separatist des schwarzen Islam

Zimperlich war er nie. Auch seine Abschiedsrede als Führer der umstrittenen US-Organisation Nation of Islam nutzte Louis Farrakhan, um noch einmal kräftig gegen das politische Establishment der USA auszuholen. Farrakhan, der für seine 73 Jahre und eine erst sechs Wochen zurückliegende Operation recht robust wirkte, kritisierte in seiner zweistündigen Rede in Detroit den Krieg im Irak und rief dazu auf, Präsident George W. Bush des Amtes zu entheben.

In seiner Karriere als Erneuerer der Nation of Islam hatte Farrakhan der US-Regierung schon alles Mögliche um die Ohren gehauen. So vertrat er jahrelang die These, Washington wolle die Schwarzen der USA ein weiteres Mal versklaven, diesmal mit Drogen wie Crack und Heroin. Was die US-Öffentlichkeit am Sonntag mehr erstaunte: In der Abschlussrede der Jahresversammlung der Nation of Islam rief Farrakhan angesichts hereinbrechender apokalyptischer Zeiten zur religiösen Einheit von Christentum und Islam auf – was ziemlich im Wiederspruch zu dem steht, wofür Farrakhan sein Leben lang stand: Nämlich die Abspaltung der Schwarzen Muslime von den weißen Christen und die Unversönlichkeit des Islams mit dem Christentum, mehr aber noch dem Judentum. Immer wieder hatte der in der Bronx aufgewachsene Farrakhan Hitler als leuchtendes Beispiel zitierend sogar zu Gewalt gegen Juden und Christen aufgerufen.

Farrakhans Rücktritt kommt in Raten. Bereits im vergangenen August übertrug er das Führungsamt der rund 50.000 Mitglieder zählenden Organisation einem Exekutivkomittee. Ein vor einem Jahrzehnt diagnostizierter Prostatakrebs und dessen Folgen haben den Mann, der einst als Calypsosänger durch die Nachtclubs der USA tourte, offensichtlich ausgebremst. Schon seit Monaten wird über einen Nachfolger Farrakhans spekuliert.

Dessen Suche steht aber ein viel größeres Problem im Wege. Denn Farrakhan beanspruchte die Interpretationshoheit darüber, was für Amerikas Schwarze der Islam sein sollte. Einst eine Mischung aus separatistischer Ideologie und Personenkult um den Nation-Gründer W. Fard Muhammad, hat die Nation-Religion längst Konkurrenz bekommen. Mit dem Zustrom muslimischer Migranten aus der ganzen Welt sind in den USA längst gemäßigte islamische Mainstream-Sekten populärer als der separatistische Ansatz Farrakhans. So wollen denn auch einige der möglichen Nachfolger, darunter der 42-jährige Ishmael Muhammad, Sohn des langjährigen Führers Elijah Muhammad, weg vom abspalterischen Ansatz hin zu einer Religion, die Minderheiten hilft, im Multikulti der USA Selbstbewusstsein zu entwickeln. ADRIENNE WOLTERSDORF