Ein Hauch von Frühling

CHINA Ai Weiweis „Teehaus“ im Museum für Asiatische Kunst in Dahlem kommentiert Wahrnehmungen asiatischer Kunst und moderne Warenströme

3.600 Kilogramm Tee. Sie senden einen feinen, frühlingshaften Duft in den Saal des Kaiserthrons im Museum für Asiatische Kunst in Dahlem. Der Pu’er Tee, der von wilden Teesträuchern aus den Wäldern der südwestlichen Provinz Yunnan stammt, ist von jener Qualität, die vor Jahrhunderten auch dem Kaiser als Tribut gesandt wurde. Jetzt liegen die Blätter im Thronsaal ausgeschüttet und bilden einen torfigen Grund, über dem sich ein kleines Haus aus gepressten Teeziegeln erhebt. Gegenüber dem feingeschnitzten Thronsessel aus der Kangxi-Ära (1662–1722), der mit Intarsienbildern aus Perlmutt von paradiesischen Landschaften erzählt, wirkt das Haus aus Tee wie eine trotzige Behauptung von Kargheit und Einfachheit.

Auf so minimalem Raum, stellt man sich mit etwas Fantasie vor, haben vermutlich viele von denen gelebt, die den Reichtum der Kaiserhäuser erst ermöglicht haben.

Das „Teehaus“ stammt von Ai Weiwei, entworfen 2009. Ein Jahr zuvor, so informiert ein Text neben der Installation, brachen die Preise für den Pu’er Tee ein. Weil er durch Pressung und Lagerung mit dem Altern an Qualität gewinnt, waren die Teeziegel des Künstlers einige Jahre zuvor zu einem Anlage- und Spekulationsobjekt geworden. Für einige Sorten wurden bis zu 3.000 Euro pro Kilo gezahlt.

Wertvoll wie Goldbarren

Weiß man das, dann schaut man Weiweis kleine Kate in ihrem Moor aus Tee plötzlich mit anderen Augen an und denkt über ihren realen Warenwert nach, der mit der Installation dem Markt entzogen wurde. Die Teebarren haben plötzlich etwas mit Goldbarren gemeinsam, deren Wert ja auch nur auf einer breit geteilten Vereinbarung beruht.

Es ist immer noch eine Ausnahme, dass sich die Museen für die klassischen Perioden der außereuropäischen Kunst der Kunstproduktion der Gegenwart öffnen – in Dahlem geschieht dies aber seit ungefähr zehn Jahren immer häufiger. Beide Positionen profitieren davon, wie man an dieser kleinen Sonderausstellung wieder sieht. Ai Weiweis konzeptueller Zugriff auf die Wirklichkeit schärft sich im Gegenüber: Der reale Stoff steht gegen die symbolische Darstellung, der Minimalismus der Form gegen die ornamentale Entfaltung, die repräsentative Geste und die codierte Bedeutung gegen das offene Bedeutungsfeld. Bei Ai Weiwei liegt in der Gestaltung zugleich auch eine Anmutung, als würde der Tee, der pflanzliche Stoff, der Natur zurückgegeben, eben wieder zu Erde. Während in der alten Kunst die Darstellung der Natur in den äußerst zierlichen Stilisierungen der Perlmuttintarsien eine sehr künstliche, von vielen ikonografischen Regeln und tradierten Leseweisen gesteuerte Angelegenheit war.

Vom Regime abgestraft

Dass heute in China gern der Staat die Regeln der Kunst diktieren möchte, wird in der Geschichte von Ai Weiwei immer wieder deutlich. Im eigenen Land hat der international bekannte Künstler, der auch für seine offene Kritik an Chinas Umweltpolitik oder den mangelnden Investitionen in die Bildung geschätzt wird, bisher keine Ausstellung erhalten; eine für März geplante Werkschau in Peking sollte er aus politischer Rücksichtnahme auf die Jahrestagung des Volkskongresses bis Oktober verschoben werden, daraufhin sagte er die Ausstellung ganz ab. Erst im Januar 2011 musste er die Zwangsräumung und den Abriss seines Ateliers hinnehmen. Sein internationaler Erfolg hat Ai Weiwei bisher nicht gegen diese Abstrafungen eines Regimekritikers schützen können.

Vor diesem Hintergrund erhält das Gegenüber von Ai Weiweis „Teehaus“ und dem alten Kaiserthron dann doch eine David-gegen-Goliath-Note, auch wenn historisch gesehen der Dahlemer Thron nicht viel mit den heutigen Machtverhältnissen in China zu tun hat. Das eben ist ja das Besondere der Kunst: Sie ist nicht allein auf eine sachlich korrekte Argumentation angewiesen, sondern kann mit vagen Assoziationen spielen. Man wünscht sich, dass die Feinheit, mit der sich der Duft des Tees den Museumsräumen in Dahlem mitteilt, eine Metapher ist für eine allmähliche Änderung des Geistes in der chinesischen Politik. KATRIN BETTINA MÜLLER

■ Ai Weiwei im Museum für Asiatische Kunst, Dahlem, Di.–Fr. 10–18 Uhr, Sa. + So. 11–18 Uhr, bis Januar 2012