Schüler verprügelten Polizisten

An einer Nürnberger Hauptschule hat Anfang der Woche eine Jugendgang einen Polizisten verprügelt. Die Polizei sieht die Ursache nicht in der ethnischen, sondern in der sozialen Herkunft. Die SPD-Fraktion im Landtag fordert einen Runden Tisch

AUS MÜNCHEN DOMINIK SCHOTTNER

Jan Tietgemeyer reagiert unwirsch, wenn man ihn auf den Vorfall in der von ihm geleiteten Friedrich-Wilhelm-Herschel-Schule in Nürnberg anspricht: „Wir haben seit Dienstag wieder normalen Schulbetrieb. Sonst ist alles gesagt.“ Man kann Tietgemeyer seine Laune nicht verübeln, schließlich hatte der Leiter der Nürnberger Hauptschule eine harte Woche: Am vergangenen Montag haben zehn Jugendliche vor der Schule einen 50 Jahre alten Polizisten verprügelt. Seitdem stand die Schule nicht nur unter der Beobachtung der Polizei, sondern auch der Medien. „Es reicht jetzt“, sagte Tietgemeyer der taz am Freitag.

Der Polizist hatte einem 14-jährigen Freund der Jugendlichen, der an einer Schlägerei beteiligt war, fünfmal erfolglos einen Platzverweis erteilt. Weil der Junge nicht reagierte, sperrte ihn der Beamte in einen Streifenwagen. Seine Freunde befreiten den 14-Jährigen und hinderten den Polizisten daran, den Jungen wieder einzufangen. „10 Jugendliche im Alter von 13 bis 19, die zum Teil per Handy aus der Umgebung zur Schule gerufen wurden, haben auf den Beamten eingeprügelt“, sagte Peter Grösch, Sprecher der Nürnberger Polizei, der taz. Wegen des Alters der Angreifer habe der Polizist Hemmungen gehabt, sich angemessen zu verteidigen. Erst Kollegen konnten den Beamten befreien. Zwar habe der 50-Jährige nur leichte Verletzungen davongetragen, er leide aber unter psychischen Problemen.

Die Jugendlichen müssen sich nun wegen gefährlicher Körperverletzung, Gefangenenbefreiung und Widerstand gegen die Staatsgewalt verantworten. Der 14-Jährige wurde von der Schule geworfen, andere wurden für eine Woche ausgeschlossen. Die Herschel-Schule liegt in der Nürnberger Südstadt, einem Stadtteil, in dem es laut Polizei nur wenig Probleme gibt. 60 Prozent der SchülerInnen haben einen Migrationshintergrund – was für die Polizei aber nicht den Kern des Problems darstellt.

„Perspektivlosigkeit könnte ein Motiv sein“ für eine Entwicklung, die man in Nürnberg zunehmend beobachtet habe, so Grösch: Demnach rotten sich im gesamten Stadtgebiet aggressive Jugendliche zusammen, um gezielt Auseinandersetzungen mit anderen zu suchen. Das Handy beschleunigt die Kommunikation: „Die Jugendbanden sind sehr mobil“, sagte Nürnbergs Polizeipräsident Gerhard Schlögl. Das „Bindemittel“ sei „die soziale Herkunft“, so Schlögl, nicht mehr eine gemeinsame Nationalität.

Jonas Lanig, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Nürnberg, meint, die Schulen seien überfordert. Langfristig müssten Hauptschüler ihre Schule selbst wählen können, um zu „mischen, was sich bisher nicht mischt“, weil das Wohnortprinzip gilt. So könne man Gang-Strukturen knacken. Die SPD-Landtagsfraktion forderte gestern Innenminister Günther Beckstein auf, einen Runden Tisch einzuberufen, an dem „offen über Gewaltprobleme und Hilfsmaßnahmen“ gesprochen werde, „die wirklich in den Schulen ankommen“.