Dämpfer für Stammzellforscher

JUSTIZ Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof lehnt Patentierung von Forschung ab, in deren Vorfeld Embryonen vernichtet wurden

FREIBURG taz | Verfahren der Stammzellforschung sollen in der Regel nicht patentierbar sein. Das empfiehlt Yves Bot, der unabhängige Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der EuGH muss demnächst eine Grundsatzentscheidung über den Embryonenschutz im Patentrecht treffen.

Anlass des Streits ist ein Patent des deutschen Stammzellforschers Oliver Brüstle aus Bonn. Er hat sich 1999 ein Verfahren zur Herstellung menschlicher Nervenzellen patentieren lassen. Dabei werden aus Stammzellen, die einer menschlichen Eizelle etwa fünf Tage nach der Befruchtung entnommen wurden, Vorläuferzellen des Gehirns hergestellt, um sie später ins Nervensystem zu transplantieren. Eines Tages könnten mit Hilfe dieser Methode Krankheiten wie Alzheimer oder Multiple Sklerose behandelt werden, hofft Brüstle.

Gegen dieses Patent hat einige Jahre später Greenpeace eine Nichtigkeitsklage erhoben. Es verstoße gegen das deutsche Patentgesetz, dem zufolge Patente „für die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken“ ausgeschlossen sind. Die Klage von Greenpeace hatte in erster Instanz Erfolg. Das Bundespatentgericht erklärte 2006 Brüstles Patent für nichtig, soweit es sich auf menschliche embryonale Stammzellen bezieht. Für die Forschung an Mäusen blieb das Patent bestehen.

Brüstle legte jedoch Rechtsmittel ein. Da seine Forschungen nach dem Stammzellgesetz erlaubt seien, müssten sie auch patentwürdig sein, argumentierte der Wissenschaftler. Der Bundesgerichtshof sah das ähnlich, legte die Sache jedoch Ende 2009 dem EuGH zur Entscheidung vor, weil das deutsche Gesetz auf einer EU-Richtlinie zum Schutz biotechnischer Erfindungen beruht.

Generalanwalt Bot machte Brüstle nun aber wenig Hoffnung. Zwar seien einzelne embryonale Stammzellen nicht als solche geschützt, weil aus ihnen kein vollständiger Embryo und Mensch mehr erwachsen kann. Es müsse jedoch auch die Herkunft der Stammzellen beachtet werden. Wenn bei deren Herstellung eine befruchtete Eizelle vernichtet oder geschädigt wurde, soll die Patentierung ausgeschlossen sein, so Bot. Dieser Makel haftet wohl allen Stammzellen an, an denen derzeit geforscht wird.

Nur eine – in der EU-Richtlinie ohnehin geregelte – Ausnahme vom Patentverbot will Bot zulassen: wenn die Forschungsmethode diagnostisch oder therapeutisch dem menschlichen Embryo nützt. Da Embryonen aber selten bereits an Alzheimer leiden, hilft Brüstle diese Ausnahme wenig.

Bot ließ in seinem Gutachten eine über die Patentfrage hinausgehende Skepsis gegenüber der eigentlich erlaubten Stammzellforschung erkennen. Menschliche Embryonen „als banales Ausgangsmaterial“ zu benutzen, verstoße „gegen die Ethik und die öffentliche Ordnung“, erklärte der Generalanwalt.

Das EuGH-Urteil wird in einigen Monaten erwartet. Meist folgt der EuGH den Schlussanträgen seiner Generalanwälte. Gerade in politisch heiklen Fällen weicht er aber auch öfter davon ab. CHRISTIAN RATH