Wie der Fußball nach Amerika kommt

WELTSPORT Bayern München reist durch die USA und eröffnet in Manhattan ein Büro. Aber Manchester City hat bald sogar sein eigenes New Yorker Profiteam

NEW YORK taz | Man kann sich eigentlich kaum treuere Anhänger vorstellen als die New Yorker Fans des FC Bayern München. Seit vielen Jahren versorgen sie sich über obskure Kanäle mit Bildern der Bundesligaspiele ihres Lieblingsvereins, die es hier bislang im Kabelnetz nicht zu sehen gab. Sie stehen samstags früh um sieben auf, um die Partien zu sehen und lassen sich von ihren amerikanischen Arbeitskollegen verhöhnen, wenn sie im Paulanerbräu an der Bowery zu ihrem Fußballstammtisch gehen.

Doch in dieser Woche wurde die Geduld der Broadway-Bayern arg strapaziert. Da kommt die Mannschaft schon einmal in die Stadt und gibt auch noch im Adidas Shop an der Houston Street Autogramme. Und dann muss man mindestens für 75 Dollar Fanartikel kaufen, um auch nur eine Chance zu haben, Badstuber oder Lewandowski die Hand zu schütteln. Von „Abzocke“ und „Frechheit“ wurde in den Fanforen gesprochen, man fühlte sich verarscht.

Für die drei Mann, die seit April dieses Jahres den FCB hier in New York vertreten, war der Vorfall eine eher unangenehme Panne im unmittelbaren Vorfeld ihres bislang wichtigsten Termins. Schließlich hat der Club in Manhattan eine Dependance eröffnet, um die Fans in den USA an den Rekordmeister zu binden und nicht, um sie zu brüskieren. Und genau aus diesem Grund hat man auch kurz vor Saisonauftakt die Spieler über den Atlantik zu einer Kleintournee mit Stopps in New York, Miami und in Portland geflogen, wo sie in der kommenden Woche gegen eine All-Star-Auswahl der US Liga MLS spielen.

Am Ende waren die Bayern-Fans vom Hudson dann allerdings doch wieder glücklich. Man fuhr geschlossen am Donnerstagabend in die an Bundesligamaßstäben gemessen doch recht intime Red Bull Arena in New Jersey und sah seine Stars im Spiel gegen den mexikanischen Meister Guadalajara so hautnah wie noch nie.

Für die drei von der New Yorker Geschäftsstelle ist das alles jedoch erst der Anfang. Man hat Großes vor im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, die Marke Bayern soll „fest in den USA etabliert“ werden, wie Jörg Wacker, der beim FCB den interessanten Titel des „Direktors für Internationalisierung“ trägt, einmal sagte. Dazu möchte man „365 Tage lang“ auf dem hart umkämpften Sport-Medienmarkt des Landes präsent sein und die vom Sport-Marktforschungsinstitut RepuCom ermittelten 68 Millionen US-Fußball-Interessierten möglichst alle an die Bayern binden.

Diese 68 Millionen – sowie möglichst viele weitere – haben allerdings nicht nur die Bayern als riesigen Wachstumsmarkt entdeckt. Auch andere europäische Topteams drängen in jüngster Zeit mit Macht auf den gigantischen amerikanischen Markt. So hat Real Madrid bereits seit 2006 eine enge Kooperation mit dem MLS-Champion Real Salt Lake. Erst in der Woche vor den Bayern war Arsenal London zu Gast in New York, und auch Chelsea und Barcelona haben US-Tourneen geplant. Die größte Investition kommt jedoch von Manchester City. Gemeinsam mit Baseball-Rekordmeister New York Yankees stampft der Club für das kommende Jahr eine neue MLS-Mannschaft, den New York FC, aus dem Boden. Unterschrieben haben bereits Frank Lampard und David Villa, als nächster großer Euro-Import ist Alberto Aquilani im Gespräch.

Die europäischen Märkte sind für die Global Payer im Fußballbusiness weitgehend gesättigt. Expansion geht nur noch in Übersee. Die USA sind dabei bei weitem das attraktivste Land. „Sicher sind Indien und China zahlenmäßig größer“, sagt Danny Townsend von RePuCom, dem größten Institut seiner Art weltweit. „Aber was die Kaufkraft und die Leidenschaft der einzelnen Konsumenten für den Sport angeht, liegen die USA klar vorne.“ Der US-Sportfan, so Townsend, verdiene nicht nur gut, sondern sei, anders als die meisten europäischen Fans, zumeist Anhänger von gleich zwei oder drei Mannschaften: seinem College-, einem Football- und vielleicht einem Basketball-Team. Da sei auch noch Platz für Fußball.

Das sieht Jörg Wacker genauso. „Internationaler Markenaufbau kann gar nicht scheitern“, sagt er. „Man kann es nur gut und weniger gut machen.“ Steigende Umsatzzahlen sind dabei zunächst sekundär. Trotzdem stehen die Leute vom New Yorker Büro unter Druck. „Die WM war fantastisch“, so Townsend. Doch das Interesse am Fußball zwischen den Turnieren in den USA aufrechtzuerhalten, sei nicht so leicht. Die US-Tour der Bayern und der anderen Clubs sei da zwar gewiss der richtige Anfang. Die erste echte Messlatte werden indes die Einschaltquoten im Herbst sein, wenn Fox Sports erstmals Spiele aus der Bundesliga im US-Kabelnetz zeigt. Der Bayern-Fanclub wird sich das in seiner Stammkneipe in Lower Manhattan mit Sicherheit anschauen. Wie voll der Laden wird, bleibt allerdings erst noch abzuwarten. „Ich bin mir sicher, dass der Fußball in den USA expandieren wird. Die große Frage ist, wie schnell“, sagt Townsend. Die Antwort auf diese Frage wüsste man im Bayern Büro an der Lexington Avenue sicher auch gerne. SEBASTIAN MOLL