Ausbreitung von Aids weltweit nicht gebremst

UNO aktualisiert ihren Weltaidsbericht 2006: Zahl der Infizierten, der Neuinfektionen und der Aidstoten steigt

BERLIN taz ■ 2,9 Millionen Aidstote dieses Jahr, 4,3 Millionen Neuinfektionen, insgesamt 39,5 Millionen Menschen auf der Welt mit HIV/Aids – diese düsteren Zahlen nennt das UN-Aidsbekämpfungsprogramm Unaids in seiner gestern vorgelegten Aktualisierung des Weltaidsberichtes 2006. Gegenüber dem eigentlichen Jahresbericht, der Ende Mai veröffentlicht wurde, berücksichtigt Unaids dieses Mal Fakten und Trends aus dem laufenden Jahr und stellt pünktlich zum bevorstehenden Welt-Aids-Tag am 1. Dezember ein Paradox in den Raum: „Vielversprechende Entwicklungen hat es in den letzten Jahren bei globalen Bemühungen zur Bewältigung der Aids-Epidemie gegeben, darunter vermehrten Zugang zu effektiven Behandlungs- und Präventionsprogrammen. Doch die Zahl der mit HIV lebenden Menschen nimmt weiter zu, ebenso die Zahl der Aidstoten.“

2005 lag die Zahl der Aidstoten noch bei 2,8 Millionen, die Zahl der Neuinfektionen noch bei 4,1 Millionen, die Zahl der mit HIV/Aids lebenden Menschen bei 38,6 Millionen. Damals waren die Zahlen noch aufgrund einer verbesserten Datenerhebungsmethode gegenüber den Vorjahren nach unten korrigiert worden. Jetzt nähern sie sich allmählich wieder den vorherigen Spitzenwerten an. Die schnellste Ausbreitung von Aids verzeichnet Unaids in Ost- und Zentralasien sowie Osteuropa. Das Land mit der größten HIV-Verbreitung in Europa ist die Ukraine.

Indien hat dieses Jahr mit 5,7 Millionen HIV-Infizierten erstmals Südafrika mit 5,5 Millionen den Rang abgelaufen. Aber Indien hat 1,12 Milliarden Einwohner, Südafrika nur 47 Millionen. „Ein Drittel aller weltweit Betroffenen lebt in Südafrika und 34 Prozent aller Aidstoten gibt es dort“, heißt es in dem Bericht. Es sei dort noch immer kein Abschwächen des Anstiegs zu beobachten. Die globale Aidsepidemie ist noch immer überwiegend ein afrikanisches Phänomen: 2,1 der 2,9 Millionen Aidstoten verzeichnet dieses Jahr Afrika südlich der Sahara und 2,8 der 4,3 Millionen Neuinfektionen. Swasiland liegt mit einer Infektionsrate von 33 Prozent der Erwachsenen der Weltspitze.

Ohne die Erfolge der letzten Jahre bei der Bereitstellung von Aidsmedikamenten auch in armen Ländern wären viel mehr Aidskranke schon gestorben. Unaids spricht von zwei Millionen geretteten Menschenleben seit 2002, davon 790.000 in Afrika und 834.000 in Lateinamerika. Angesichts dessen, dass in Lateinamerika nur 1,7 Millionen Menschen mit Aids leben, gegen 24,7 Millionen in Afrika, zeigt das auf, welche verheerende Auswirkung die großen Disparitäten zwischen der nahezu flächendeckenden medikamentösen Versorgung von Aidskranken in Lateinamerika und der noch immer weitgehend unbehandelten afrikanischen Epidemie haben.

In Deutschland haben sich im Jahr 2005 2.600 Menschen mit dem HI-Virus infiziert, berichtete die Berliner Aidshilfe gestern. 450 davon leben in Berlin, und von diesen steckten sich 87 Prozent durch Sex unter Männern an. Jede Woche sterben in Berlin im Durchschnitt zwei Menschen an Aids. DOMINIC JOHNSON