Abschied von der Ostgarage droht

In der DDR durften Autofahrer auf fremdem Grund Abstellplätze bauen. Zum Jahresende aber fallen die damals errichteten 500.000 Garagen endgültig an die kommunalen Grundeigentümer. Die Schutzfrist für ostdeutsche Autohäuslebauer läuft ab

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Besitzer von Garagen in Ostdeutschland, die noch zu DDR-Zeiten errichtet wurden, blicken mit Sorge auf das Jahresende. Dann läuft unwiderruflich die Schutzfrist für ihre Garagen ab, die zu etwa 90 Prozent auf kommunalem Grund stehen. Die Besitzer verlieren alle Rechte, sofern sie nicht mit den Kommunen neue Verträge zu marktüblichen Pachtpreisen abschließen.

Die Grundeigentümer können ab 2007 bestehende Verträge entschädigungslos kündigen, die Flächen neu verwerten und die Garagenbesitzer sogar noch an den Abrisskosten beteiligen. Betroffen sind nach Angaben des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer VDGN etwa eine halbe Million Garagen oder „eineinhalb Millionen Wähler“, wie der Verbandssprecher Holger Becker hochrechnet.

Über eine Garage zu verfügen, kam in der DDR einem Statussymbol gleich. Bis Ende der 60er-Jahre war privater Garagenbau nicht gestattet. Danach begann ein staatlich organisierter Bauboom. Die Kommunen boten Flächen an, auf denen überwiegend Garagengemeinschaften die Unterstellmöglichkeiten für den Trabant oder den Wartburg errichten durften. Wie in der DDR, aber beispielsweise auch in Österreich oder in Skandinavien üblich, bauten die Besitzer also auf fremdem Grund.

Das sieht bundesdeutsches Recht aber grundsätzlich nicht vor. Der Einigungsvertrag schützte 1990 im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch deshalb zunächst Kleingärten, Datschen und Garagen vor der drohenden Enteignung. Das 1995 in Kraft getretene Schuldrechtsanpassungsgesetz aber führte das Prinzip „Gebäude folgt dem Boden“ konsequent ein und bestimmte lediglich eine Schonfrist vor kommunalen Investitionen, die nun abläuft. Den ursprünglich bis 2002 laufenden Kündigungsschutz hatte das Bundesverfassungsgericht bereits 1999 auf Betreiben von Grundstückseigentümern für verfassungswidrig erklärt.

Die Linksfraktion im Bundestag scheiterte am 10. November mit der Absicht, das Schuldrechtsanpassungsgesetz nochmals zum Schutz der Garagenbesitzer zu ändern. In einer hitzigen Debatte des Sächsischen Landtages nannte Linkspartei-Rechtspolitiker Klaus Bartl dieses Abstimmungsergebnis ein „schandbares Armutszeugnis für die Vertretung von Ostinteressen“. Mit Ausnahme der NPD hielten die anderen Fraktionen der Linkspartei entgegen, in der Praxis würden die Auswirkungen für die Ostdeutschen weit geringer bleiben als befürchtet.

Eine Umfrage des VDGN unter 150 Kommunen bestätigt in der Tat, dass diese in den meisten Fällen gar nichts unternehmen wollen. Bei dem geringen Investitionsinteresse und niedrigen Baulandpreisen erscheint die Weiterverwertung der Garagengrundstücke unattraktiv. Außerdem übernähmen die Kommunen lästige Eigentümerpflichten wie beispielsweise die Dekontamination und die Verkehrssicherung. Eine unbestimmte Zahl der Garagen wird seit längerem nicht mehr genutzt. „Die Eigentümer sollten nicht resignieren“, sagt auch VDGN-Sprecher Becker. Es gibt beispielsweise doch eine Entschädigungsmöglichkeit zum Zeitwert, wenn eine Verkehrswerterhöhung mit der neuen Nutzung des Grundstücks verbunden ist. In dieser Woche erscheint ein Ratgeberheft des Verbandes.

Die Linkspartei befürchtet aber, dass der gute Wille der Kommunen vor der Kommunalaufsicht keinen Bestand haben könnte. Das sächsische Innenministerium hatte darauf hingewiesen, dass die Gemeinden gehalten sind, „aus ihrem Finanzvermögen angemessene Einnahmen zu erzielen“. Das kann zumindest eine drastische Erhöhung der derzeit bei weniger als 50 Euro jährlich liegenden Pacht bedeuten. Sprecher Ralf Leimkühler vom Sächsischen Städte- und Gemeindetag glaubt zwar nicht an eine solche Verpflichtung durch die Rechtsaufsicht, die Unsicherheiten für viele Garagenbesitzer Ost aber bleiben.