Karikaturenstreit vor Gericht

Französisches Satiremagazin wegen Abdruck der Mohammed-Karikaturen angeklagt. Muslimische Organisationen sehen darin antiislamischen Rassismus

PARIS taz ■ In Frankreich muss sich seit Mittwoch erstmals eine Zeitung wegen der umstrittenen Mohammed-Karikaturen vor Gericht verantworten. Vor dem Pariser Strafgericht wurde der Prozess gegen das Satireblatt Charlie Hebdo eröffnet, das Islam-Organisationen verklagt hatten.

Charlie Hebdo hatte im Februar 2006 die umstrittenen dänischen Mohammed-Karikaturen veröffentlicht und in einer Sondernummer mit eigenen Zeichnungen ergänzt. Und dies im Namen der Meinungsfreiheit, weil es in einer weltlichen Republik für Karikaturen kein religiöses Tabu geben könne.

Eine Auseinandersetzung vor dem Richter fürchtet Charlie Hebdo nicht: „Sie wollen einen Prozess, sie werden ihn bekommen“, sagt der Anwalt der Publikation, die als Zeugen ihres Kampfs für die Meinungsfreiheit führende Politiker sowie Vertreter von Antirassismusorganisationen, Philosophen und Theologen aller Konfessionen in den Zeugenstand ruft.

Selbst der Innenminister und konservative Präsidentschaftskandidat Nicolas Sarkozy teilte mit, er „ziehe allemal einen Exzess der Karikatur einer Abwesenheit der Karikatur vor“.

Bisher scheiterten Versuche muslimischer Gruppierungen, öffentliche Kritik oder Beschimpfung des Islams unter Strafe zu stellen. So war 2002 eine Klage gegen den Schriftsteller Michel Houellebecq abgewiesen worden, der im Figaro-Magazine erklärt hatte: „Die blödeste Religion ist doch der Islam. Wenn man den Koran liest, kann man nur bestürzt sein.“

Der Vorsteher der Pariser Moschee, Dalil Boubakeur, und die Union des Organisations Islamiques de France (UOIF) beschuldigen darum den Herausgeber von Charlie Hebdo, Philippe Val, nicht der Gotteslästerung, sondern des antiislamischen Rassismus. Gewisse Karikaturen hätten, wie dies ein Gesetz von 1881 definiert, „eine Gruppe von Personen aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit verletzt“. Die Zeichnungen stellten einen „Akt der vorsätzlichen Aggression“ und eine Provokation für die französischen Muslime dar.

Der Anwalt der Kläger argumentiert, es gehe nicht bloß um Karikaturen in einer antiklerikalen Tradition, sondern um „Hass“: „Man zeigt ein Bild der Muslime, das Angst verbreitet.“ Der Angeklagte Philippe Val sagte dagegen vor Gericht: „Es handelt sich um eine Kritik der Religion als Idee, keinesfalls wird eine Verachtung für die Gläubigen einer bestimmten Konfession zum Ausdruck gebracht.“

Die Zeitung Libération vermutet, dass Präsident Chiracs Juristen den Kläger Boubakeur beraten haben, um sich so die Gunst seiner Partner in der arabischen Welt zu sichern. „Dieser idiotische Prozess mit offensichtlicher Unterstützung von Jacques Chirac, der statt einem Hirn einen Rüstungsvertrag im Kopf hat, ist ein Prozess gegen die (Freiheit der) Presse“, protestierte Libération-Chefredakteur Laurent Joffrin. Die Verhandlung endet heute. RUDOLF BALMER