ausgehen und rumstehen
: Spritztour unter falschem Mond

„Ach, heute sind zu viele Teenies auf der Straße, die benehmen sich auch alle so komisch, so vollmondmäßig, lass uns morgen ausgehen“, hatte Bella am Samstagabend zu mir gesagt. Ein Blick in den Kalender bewies, dass gerade Neumond war. „Noch schlimmer“, sagte Bella.

Einen Tag später holte sie mich mit ihrem schicken, silbernen Dienstwagen ab. „Lohnt sich das, mit dem Auto zu fahren, wir müssen doch nur um die Ecke?“, fragte ich, aber Bella winkte ab. „Klar lohnt sich das.“ Ich informierte einen Freund per Handy, dass wir auf dem Weg ins „Wir wollen Freunde bleiben“ seien. Er informierte mich darüber, dass das Café geschlossen sei. Bella bog ab und steuerte alternativ das 103 an. Zu meinem Erstaunen hoffte sie, die Bar am Rosa-Luxemburg-Platz zu finden. „Wie viele 103s gibt es denn mittlerweile?“, fragte ich irritiert. „Die schießen ja wie Pilze aus dem Boden.“ Bella zuckte die Achseln und manövrierte das dicke Auto konzentriert durch die kleinen Seitenstraßen.

Die Gegend war gänzlich unbelebt. Bella konnte eine geschlossene Bar im Halbdunkel ausfindig machen. Behäbig wie ein Walfisch rollten wir wieder aus dem Viertel hinaus. „Wir könnten ins Prassnick gehen“, schlug ich vor, als wir in die Torstraße einbogen. „Wie ist es denn da?“, fragte Bella und wirkte ziemlich desinteressiert. „Da gehen die Schauspieler, Regisseure und Zuschauer von der Volksbühne hin und essen Soljanka.“ Statt einer Antwort steuerte Bella den schicken Dienstwagen elegant am Prassnick vorbei. Der Dienstwagen summte leise. Es war komfortabel darinnen, und der Cockpitbereich mit dem Navigationssystem leuchtete anheimelnd. Wir begannen uns angeregt zu unterhalten. An der Ampel unterbrachen wir unser Gespräch kurz durch die Überlegung, in das Restaurant im Ex-Eimer zu gehen. Man könnte versuchen, den alten Geist wilder Partys durch die neue Fassade hindurch zu erspüren. Wir entschieden uns aber dagegen und nahmen stattdessen einen Drink im Hackbarths. Nur ganz kurz, wegen dem Abschleppdienst. Wir hatten nämlich den Dienstwagen vor einer Einfahrt geparkt und waren von einem Zeitungsverkäufer eindringlich vor dem Unverständnis ortsansässiger Bonner Asylanten gewarnt worden.

Auf dem Rückweg fiel Bella ein, dass das 103 am Rosa-Luxemburg-Platz gar nicht 103 heißt, sondern nur 3. Dort werden wir uns in Kürze unter einem gutem, gesunden Mond wiedertreffen, mit oder ohne Auto.

KATHARINA HEIN