Massen verlassen Gaddafi

LIBYEN Tausende auf der Flucht. Augenzeugen berichten von Gewalt gegen Aufständische

BERLIN/BRÜSSEL/TRIPOLIS taz/rtr/afp | Immer mehr Menschen verlassen Libyen aus Angst vor Muammar al-Gaddafi. Der libysche Staatschef hatte seine Gegner am Dienstag als Ratten und Kakerlaken bezeichnet.

„Wir haben Angst, dass Gaddafi sich nun am befreiten Osten des Landes rächen wird“, sagt ein Flüchtling an der ägyptischen Grenze zur taz. An der tunesischen Grenze sind bisher 5.700 Flüchtlinge eingetroffen. „Sie schießen überall scharf, in alle Richtungen“, berichtete ein Flüchtling gegenüber AFP. Die Türkei brachte 3.000 Landsleute mit einer Fähre in Sicherheit. In Paris landeten über 400 Evakuierte. Sie berichteten von chaotischen Szenen am Flughafen von Tripolis, der mit Ausreisewilligen überfüllt sei. Insgesamt sollen rund 10.000 EU-Bürger evakuiert werden. Sorge bereitet das Schicksal der rund 1,5 Millionen afrikanischen Ausländer, die zumeist keine Ausreisemöglichkeit haben. Die Opposition wirft Gaddafi vor, schwarzafrikanische Söldner einzusetzen.

Die EU-Staaten berieten gestern über Sanktionen. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sprach von „Völkermord in höchster Potenz“ in Libyen. Der UN-Sicherheitsrat hatte am Dienstag den Tod hunderter Menschen „bedauert“.

Nach mehreren Diplomaten, Regierungsmitgliedern und Soldaten wenden sich offenbar auch immer mehr Stämme von Gaddafi ab. Die Bewohner von Städten im Osten Libyens feierten die „Befreiung“ ihrer Region. Laut Augenzeugen in Bengasi und Tobruk seien dort die Vertreter der Staatsmacht verschwunden oder hätten sich den Aufständischen angeschlossen. In Tripolis folgten nur 150 Menschen dem Aufruf zu einer Treuekundgebung für Gaddafi. D.J.

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