Amerikas große Bass-Guerilla

Die Detroiter Techno-Pioniere Underground Resistance spielten am Freitag beim club transmediale in Berlin und schrumpften ihren Mythos auf angenehm menschliches Maß

Passender geht es nicht. „Building Space“ ist das Motto des diesjährigen Berliner Musikfestivals club transmediale, und den Haupt-Act des Auftaktwochenendes bildete das legendäre Detroiter Techno-Kollektiv Underground Resistance.

Zum einen hat keine Gruppe der elektronischen Musik ein so komplexes wie produktives Verhältnis zum urbanen Raum entwickelt wie Underground Resistance. Elektronische Musik als Hightech-Dream, wie das UR-Mastermind Mike Banks es versteht, war seit der Gründung des Kollektivs vor fast zwanzig Jahren immer Teil des alltäglichen Überlebenskampfes in der heruntergekommenen Ex-Auto-Metropole Detroit und UR nie einfach nur Label, Vertrieb oder Produzententeam, sondern immer auch nachbarschaftliche Organisation und Hochtechnologie-Guerillatrupp. Zum anderen machten die Diskurse, die Symbole und die Militanz, die Underground Resistance in die elektronische Musik eingeführt haben, sie aber von Anfang an auch so überaus attraktiv für Freunde jener musikalischen Genres, die einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren der club transmediale sich zum Ziel gesetzt hat. Auch wenn deren Spielarten der Noise Music, radikale Improvisation, Breakbeatgebolze, Experimentelles jeder Art mit Techno sonst nicht viel zu tun haben.

Underground Resistance sind ein Mythos. Gegründet in den späten Achtzigern von Mike Banks und Jeff Mills und inspiriert von der Hiphop-Gruppe Public Enemy, waren sie die ersten, die die konzeptuellen Möglichkeiten der Technokultur umfassend nutzten. Banks war enttäuschter Sessionmusiker, der wütend über die Klischeebilder, denen man als Afroamerikaner in der Musikindustrie zu entsprechen hatte, die Anonymität von Techno umarmte. Oberstes Ziel: der Widerstand im Guerillakrieg gegen die weltbeherrschenden Programmierer. Dafür wurden Botschaften ins Vinyl geritzt (Ankündigungen von Schlägen gegen „Programmer Strongholds“ etwa, aber auch Drohungen gegen die Detroiter Polizei), die Platten trugen Titel wie „Fuel The Fire – Attend The Riot“ oder „Sonic Destroyer“, und wenn UR auftraten, dann maskiert.

All das funktionierte natürlich nur, weil es am Ende eben vor allem Begleitdonner für zahllose wegweisende Platten war, die gleich mehrere musikalische Genres vorwegnahmen: fast alles, was seitdem an hartem Techno herausgekommen ist, variiert Modelle, die UR vorgegeben haben, die euphorischen Momente von Platten wie „Galaxy 2 Galaxy“ hat keine Tranceplatte mehr einzufangen vermocht.

Nun sind diese Tage lange vorbei. Kaum jemand läuft heute noch in jenen UR-Kapuzenpullovern herum, die man bis Mitte der Neunziger überall sehen konnte, wo sich technointeressierte Jungs zum Musikhören trafen. Und wenn man die fünf UR-Abgesandten bei der Podiumsdiskussion vor ihrem Auftritt auf der Bühne des Clubs Maria sitzen sah, verkleinerte sich der große UR-Mythos rasch und angenehm auf menschliche Größe. Der Kampf gegen die Programmierer, erfuhr man da, sei weniger politphilosophische Konzeptkunst, sondern Kampf gegen die Gleichschaltung des amerikanischen Radios durch dem texanischen Konzern Clear Channel, der das Medium – die lokalen Radiosender, ohne die die Entwicklung der schwarzen Musik seit 50 Jahren undenkbar ist – national auf ein Programm zusammenkürze. Das nahm dem Mythos nichts von seiner Kraft, im Gegenteil: So kann man sich wahrscheinlich jede wirksame Ästhetik des Widerstands vorstellen. Ihre Gültigkeit zieht sie aus den alltäglichen Kämpfen.

Und als sie dann schließlich an ihre Maschinen traten, ließ sich erfahren, warum der Tausch „We gave you Techno, we got Minimal back“, wie es einer der UR-Künstler etwas großspurig auf dem Podium verkündet hatte, vielleicht doch kein so gutes Geschäft für Europa war. Fünfmal kamen Underground Resistance auf die Bühne, um ihre Monsterjams zwischen schwerem Electrofunk, Spacejazz-Techno, House und Booty Bass zu spielen – ein Sound, der für europäische Ohren mit seinem Maximalismus deutlich aus der Zeit gefallen zu sein scheint, einen aber mitzureißen vermag wie kaum einer der zeitgenössischen europäischen Klangentwürfe.

Der geheimnisvolle „Mad“ Mike Banks, um den sich viele Legenden ranken und der nicht mit aufs Podium gekommen war, stand am Rande der Tanzfläche und schaute zu. Es schien ihm zu gefallen. TOBIAS RAPP