Boros frisst sich durch den Bunker

Weihnachten will Werbechef Christian Boros sein Penthouse beziehen. Der ehemalige Luftschutzbunker wird zum Kunsttresor.

Und wenn es nicht der Bunker geworden wäre? „Dann eine Schule oder ein Schwimmbad.“

Von Kathrin Giese

Christian Boros leistet sich eine eigene Schatzkammer. Nicht Geld und Gold, sondern Kunst will er darin bunkern. Schon Bomben sind auf den Tresor in der Reinhardtstraße in Berlin- Mitte gefallen - auch sie konnten ihm nichts anhaben. Aber Spuren sind geblieben. Mittlerweile hat der ehemalige Luftschutzbunker den Krieg, die Wende und danach härteste Techno- und Sexparties überlebt. Der Geschäftsführer der Boros-Werbeagentur in Wuppertal hat ihn 2003 gekauft. Christian Boros bereitet ihn auf die nächste Episode seiner vielfältigen Nutzungsgeschichte vor: In Zukunft wird er 3000 Quadratmeter Spielfläche für die Boros Collection und wechselnde Ausstellungen von Künstlern bieten. Auf dem Dach entsteht die Berliner Zweitwohnung des Wuppertalers, das Penthouse. An einen Einzugstermin hat schon niemand mehr geglaubt, so oft hat er sich verschoben, doch Boros ist sich sicher: „Weihnachten werde ich mit meiner Familie in Berlin verbringen.“

Die Geschichte hat Narben hinterlassen: Einschusslöcher von Maschinengewehren, die Spuren des Krieges und der Zeit als Kriegsgefangenenlager der Roten Armee, sie erzählen deutsche Zeitgeschichte. Deshalb bleiben sie sichtbar. So will es Boros, so will es auch der Denkmalschutz. Unter Schutz stehen darüber hinaus die vier Eingänge und die dahinter liegenden Treppen. „Das Gebäude war zum Glück keine Waffenschmiede. Dann hätte ich auch Bedenken gehabt, wegen ‘bad karma‘“, erzählt Boros. Außen ist der Bunker nach einer kräftigen Reinigung mit dem Sandstrahler frisch geputzt und fertig. „Fenster werde ich keine rein machen. Auch wenn das viele nicht verstehen. Es soll ein Bunker bleiben“, das steht für Boros fest. Innen ändert sich viel: Zurzeit werden Strom und Heizung verlegt. Für jedes Kabel oder Rohr in den 1,80 Meter dicken Betonwänden muss schweres Gerät herangebracht werden. Das Material ist hart. Ohne Diamantsägen tut sich nichts. Für den Durchgang zum Penthouse meißelten und sägten die Bauarbeiter mehrere Wochen: Die Bunkerdecke besteht aus drei Meter Stahlbeton. Das Bauwerk bleibt seinem Ruf treu. Schon als Party-Location hat es sich den Titel „härtester Club der Welt“ verdient. Auch aus dieser Zeit, den wilden 90er Jahren, will Boros Räume konservieren.

Weihnachten rückt näher. Boros weiß, wieso er bis jetzt noch nicht einziehen konnte. „Es ist nicht nur kompliziert, sondern auch teuer.“ Trotzdem hat der 41-jährige Werbechef im Bunker schon buchstäblich Wände versetzt. Unterstützt wurde er dabei von Jens Casper von dem Berliner Architekturbüro Realarchitektur. „Innen sieht der Bunker jetzt aus wie ein angeschnittener Schweizer Käse“, beschreibt Boros. Die fünf Stockwerke hat er aufgebrochen, so dass teilweise 7,50 Meter hohe Räume entstanden sind und viele Zwischenebenen. Die Räume haben ihren drückenden Charakter verloren, der im Sommer 2003 bei der zeitgenössischen Kunstausstellung „Inside out“ noch deutlich wirkte.

Doch ihren Charme und ihre Geschichte werden die Räume weiter behalten. „Die Wände bleiben unverputzt, so dass der Beton sichtbar ist. Alles wird weiß und mit sprödem Neonlicht beleuchtet: gleißend hell“, so schwärmt der Purist Boros. Ihm ist es wichtig, bei der Sanierung behutsam vorzugehen. Damit hat er, wie er sagt, das Vertrauen des Denkmalschutzamts und der Bunkerliebhaber aus dem Verein Berliner Unterwelten e.V. gewonnen. „Es haben sich alle, auch die Nachbarn, gefreut, dass da eine Nutzung gefunden wurde“, sagt Boros. Mit Hilfe von Dietmar Arnold vom Verein Berliner Unterwelten und anderen Historikern will er die Geschichte des Bunkers aufbereiten und als Teil der Ausstellung präsentieren.

Mitte 2007 soll in den neuen Räumen die Boros Collection zu sehen sein. Und das nicht nur im Kreise der Familie. Die Ausstellung wird zwar nicht öffentlich gezeigt, aber „by appointment“ wird Einlass durch den Eingang an der Reinhardtstraße gewährt. Boros hingegen wird den Bunker über den Eingang in der Albrechtstraße betreten. Nach vorheriger Anmeldung wird es Führungen für maximal zehn Personen durch den Bunker und die Ausstellung geben. Als Vorbilder für seine Umnutzungsidee nennt Boros „die Hoffmänner“. Die Sammler Erika und Rolf Hoffmann waren ebenfalls Umnutzer, bauten eine alte Nähmaschinenfabrik der Jahrhundertwende im Ostteil Berlins nach eigenen Plänen um und zogen mitsamt ihrer Kunst ein. Die Sophie-Gips-Höfe sind heute eine feste Adresse für zeitgenössische Kunst.

Christian Boros hat kein schlechtes Gewissen, sich einen privaten Tresor für seine rund 400 ebenfalls zeitgenössischen Kunstwerke zu schaffen. „Im Gegenteil. Ich liebe Kunst. Meine Kunst steht jetzt im Lager. Wenn ich bald mit ihr leben kann, dann macht mich das glücklich“, erklärt er. Selbst wenn vor seiner Haustür jedes Jahr die „Fuck Parade“, die Gegenveranstaltung zur „Love-Parade“, als Aufschrei der Technoanhänger gegen Bürokratie, Kommerz und die Schließung ihres Bunkers loszieht - Boros betrachtet das locker mit historischem Blick: „Der Bunker ist eben Teil der Parade.“