Politiker fordern Sanktionen gegen Libyen

PROTESTE Angesichts der Gewalt gegen Demonstranten kritisieren deutsche Politiker die EU. Die dürfe nicht länger mit Gaddafi zusammenarbeiten. SPD fordert „eine Art Marshallplan“ für Nordafrika

BERLIN taz/dapd | Deutsche Politiker haben die Gewalt der libyschen Regierung gegenüber oppositionellen Demonstranten verurteilt und die Politik der Europäische Union kritisiert. „In der Flüchtlingspolitik arbeitet Europa mit denselben libyschen Sicherheitskräften zusammen, die jetzt auf Demonstranten schießen“, sagte der sicherheitspolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Omid Nouripour, der taz. Er forderte, dass die Europäische Union alle Kooperationsabkommen mit Libyen kündigen müsse. „Sonst nimmt sich die EU als Wertegemeinschaft nicht ernst.“

Dieser Appell ist vor allem an die Adresse der EU-Außenminister gerichtet, die sich am Montag zu ihrem regulären Treffen in Brüssel versammelten, um unter anderem auch über die Lage in Nordafrika zu sprechen. Am Wochenende hatten Elitetruppen in Libyen Gegner von Machthaber Muammar al-Gaddafi zusammengeschossen. Nach Berichten der Opposition starben binnen zwei Tagen mindestens 200 Menschen. Wegen der Unruhen hat die Bundesregierung am Montag deutsche Staatsbürger aufgefordert, das Land zu verlassen.

„Die toten Demonstranten in Libyen sind eine einzige Anklage gegen Gaddafi, aber auch gegen die europäische Politik“, sagte der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Wolfgang Gehrke. Die EU habe Libyen zu einem „Frontstaat gegen Flüchtlinge“ aufgerüstet und trage eine Mitschuld an den Ereignissen.

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder sagte der taz, die EU müsse gegenüber Libyen „geballt“ auftreten. Die Union sei auf die Ereignisse in Nordafrika unvorbereitet gewesen, müsse nun aber schnell handeln.

Bei Appellen allein könne es aber nicht bleiben, konkrete Hilfsprogramme müssten her, meinte Gernot Erler außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion gegenüber der taz . Seine Partei fordere seit langem „eine Art Marshallplan“ für Nordafrika. So solle die EU-Kreditgarantien gewähren und Verfassungsspezialisten entsenden, die den Übergang zur Demokratie unterstützen. Diese Hilfe müsse schnell erfolgen. „Das Schlimmste wäre Hoffnungslosigkeit, die mit der Demokratie verbunden wird und diese bei den Menschen diskreditiert“, so Erler.

FDP-Außenexperte Rainer Stinner forderte in der taz, die EU solle Handelsbarrieren senken, um die Wirtschaft vor Ort zu stärken. „Die EU könnte zum Beispiel den Import von Agrarprodukten aus Nordafrika erlauben.“

JOHANNES OPFERMANN

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