Landtag durchleuchtet Justizskandal

AMIGOS Wurden Ermittlungen gegen den bayerischen Laborunternehmer Bernd Schottdorf aus politischen Gründen gebremst? Diesen Verdacht soll ein Untersuchungsausschuss überprüfen

„Das stinkt politisch“, sagt der Landtagsabgeordnete Sepp Dürr (Grüne)

MÜNCHEN taz | Als Robert Mahler 2006 zum Landeskriminalamt (LKA) München kam, dachte er, jetzt gehe es los. Vorbei die Zeit, als er Kleinkriminelle auf der Straße jagte, jetzt wollte er die „großen Fische“ drankriegen, Unrecht verhindern. „Naiv“, sagt er heute, denn es sieht so aus, als hätte die bayerische Justiz alles darangesetzt, die Ermittlungen gegen den Augsburger Laborunternehmer Bernd Schottdorf zu verhindern.

Der hatte sich ein ausgeklügeltes Abrechnungssystem ausgedacht: Seine Kunden, fast 10.000 Ärzte, konnten bei ihm Blutproben zu Schnäppchenpreisen untersuchen lassen. Nicht das Labor stellte dann die Rechnung, wie es rechtlich vorgeschrieben ist, sondern die Ärzte. Dabei schlugen sie kräftig drauf und kassierten die Differenz. Bis zu 800 Euro sollen sie mit jeder Blutprobe dazuverdient haben. Dadurch sei den privaten Krankenkassen ein Schaden von um die 500 Millionen Euro entstanden, rechneten Mahler und seine Kollegen aus. Gegen 146 Ärzte wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet, Tausende sollten noch folgen. Doch dann stellte die Augsburger Staatsanwaltschaft das Verfahren 2009 ein.

Schonte die Justiz Tausende Ärzte? Wurden die Ermittlungen auf Weisung der Politik bewusst erschwert? Ein Untersuchungsausschuss, der wahrscheinlich diesen Mittwoch zum erstmals tagen will, soll diese Fragen klären. Auch Mahler wird aussagen und von den Merkwürdigkeiten des Falls berichten.

Die Ermittlungen seien von Anfang an erschwert worden, so Mahler. Der damals zuständige Staatsanwalt in München ist mit Arbeit überhäuft worden. Bei Durchsuchungen, wurden er und seine Kollegen der Soko „Labor“ angewiesen, Beweise zu ignorieren, die nicht ausdrücklich im Durchsuchungsbeschluss standen. Die Botschaft sei klar gewesen: „Macht die Augen zu.“

Obwohl Mahler und seine Kollegen auf immer mehr Fälle stießen, wurde die Soko von 17 Mitarbeitern auf 5 reduziert. Dem Staatsanwalt sei letztlich vom Justizministerium angeordnet worden, die Durchsuchungen bei Ärzten einzustellen. Lieber sollte er auf ein Pilotverfahren warten – um zu klären, ob es sich überhaupt um Betrug handle. Das bejahte das Landgericht München 2010. Bis dahin waren Tausende Fälle verjährt.

Eine größere Aktivität entfaltete die Staatsanwaltschaft stattdessen gegen Mahler und seinen LKA-Kollegen Stephan Sattler. Schottdorfs Anwälte hatten gegen sie Anzeige gestellt, wegen angeblicher Falschaussage und der Verfolgung Unschuldiger. Zwei Jahre lang prüfte die Staatsanwaltschaft die Anträge, um dann zu dem Schluss zu kommen, dass nicht mal ein Anfangsverdacht bestand. Warum es so lange gedauert hat, ist für Mahler unverständlich. In seiner Akte finde sich kein Ermittlungsblatt.

Die Grünen und die Freien Wähler haben eine Erklärung. „Das stinkt politisch“, sagt Sepp Dürr von den Grünen. Es war niemand anderes als CSU-Parteivize Peter Gauweiler, der als Anwalt von Schottdorf dem LKA-Präsidenten in einem Brief nahelegte, gegen Sattler Ermittlungen einzuleiten. Auch andere Schottdorf-Anwälte haben enge Verbindungen zur CSU, Schottdorf ebenfalls ein CSU-Parteibuch.

Bei einer Durchsuchung 2006 fanden die LKA-Ermittler bei ihm einen Brief an den ehemaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, in dem es um eine Spende von 25.000 Euro an die CSU geht. Auch er soll deshalb vor dem Untersuchungsausschuss aussagen. Ob der allerdings wirklich diesen Mittwoch zum ersten Mal zusammenkommt wie geplant, ist noch nicht sicher. Gauweiler hat Verfassungsbeschwerde eingereicht. Die müsse erst mal geprüft werden, heißt es aus der CSU. LISA SCHNELL