Fremd in der Schule

Das Projekt „Al-Ahel“ (Die Eltern) vermittelt zwischen Lehrern und arabischstämmigen Immigranten, um sie besser ins Schulsystem zu integrieren. Dafür erhält es den Präventionspreis gegen Gewalt

Von MARKUS WANZECK

Der Weg vom Elternhaus zur Schule ist manchmal steinig und voller Hindernisse. Insbesondere für arabischstämmige Immigranten im deutschen Schulsystem. Das weiß Renée Abdul-Ella, Geschäftsführerin des gemeinnützigen Vereins Al-Dar („Zuhause“). „Unsere Arbeit besteht darin, Wege zu ebnen“, sagt sie. „Damit die Kinder der eingewanderten Familien auf diesem Weg nicht mehr stolpern.“

Der Verein hat damit selbst einen erfolgreichen Weg beschritten: Für sein Projekt „Al-Ahel“ („Die Eltern“) wurde ihm gestern im Rahmen des 7. Berliner Präventionstages von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) der diesjährige Präventionspreis der Landeskommission Berlin gegen Gewalt verliehen. Mit dem Preis sollen Projekte gefördert werden, die mit einem lokalen Ansatz in den Kiezen aktiv zur Gewalt- und Kriminalprävention beitragen.

Das mit 5.000 Euro prämierte „Al-Ahel“-Projekt zielt darauf ab, Konflikte zwischen Schulen, Kindern arabischer Herkunft und deren Elternhäusern zu entschärfen. Al-Dar hat es vor zwei Jahren ins Leben gerufen. Dem Projekt gehören fünf arabischsprachige Psychologen und Sozialarbeiter an, die an sieben Grund- und Förderschulen in Kreuzberg, Neukölln, Schöneberg und Wedding tätig sind.

Aisheh Hamzeh arbeitet seit drei Monaten für „Al-Ahel“ in dem Projekt. Die gebürtige Palästinenserin organisiert Eltern-Lehrer-Sprechstunden, die alle zwei Wochen an der Richard-Grundschule und der Adolf-Reichwein-Grund- und -Förderschule in Neukölln stattfinden. Dabei agiert sie als Übersetzerin und als Kulturvermittlerin. „In den Heimatländern der Familien bleiben die Eltern von den Schulen fern“, erklärt die Sozialarbeiterin. Ein erster Schritt sei deshalb, dass Eltern und Lehrer überhaupt miteinander in Kontakt treten. Dafür werden eigene Abende für die Arabisch sprechenden Eltern abgehalten – für die deutschen Lehrkräfte sprechen die „Al-Ahel“-Vermittler.

Aber es gebe noch ein weiteres Integrationshindernis, sagt die Vermittlerin Hamzeh. „Viele Konfliktherde hängen mit dem Flüchtlingshintergrund der Familien zusammen.“ Das mache eine sensible Herangehensweise nötig, viele Schulen fühlten sich davon überfordert. Flüchtlingsfamilien müssen mit ihrer Vergangenheit und vertrauten sozialen Bindungen brechen, manche haben Kriegserfahrungen gemacht – finden aber niemanden, mit dem sie darüber sprechen können. „Sie bekommen zwar Geld vom Sozialamt“, erklärt Hamzeh, „aber viel zu selten Hilfe bei der Integration in die neue Welt.“

Neben den Eltern-Lehrer-Gesprächen organisieren die Projektmitarbeiter aber auch Informationsstunden in den Klassen, in denen sie Schülern nichtarabischer Herkunft die arabische Kultur näherbringen. Geschäftsführerin Abdul-Ella hält diese Aufklärungsarbeit für unerlässlich: „Damit wird bei den Schülern das Bewusstsein für den eigenen kulturellen Hintergrund geschärft, und das ist eine wichtige Voraussetzung für das Verstehen des Anderen.“

Jens-Jürgen Saurin, Leiter der Adolf-Reichwein-Schule, hält dies für einen hervorragenden Ansatz. An seiner Schule gebe es große Berührungsängste seitens der arabischen Eltern – eine gewisse „Schuldistanz“, wie er es nennt. „Mit Hilfe der arabischsprachigen Kulturvermittler, die seit drei Monaten mit der Einrichtung zusammenarbeiten, gelingt es erstmals, diese Eltern zu erreichen und eine Vertrauensbasis zu schaffen.“ Saurin ist klar, dass dies ein langwieriger Prozess ist. Doch damit wäre ein großer Schritt zur Konfliktprävention getan. Dank „Al-Ahel“ ist er nicht mehr unmöglich.