Die Nazi-Schneise

RECHT Die Polizei setzt in Dresden konsequent den Naziaufmarsch durch. Sie erfüllt damit die Forderungen des sächsischen Verwaltungsgerichts

DRESDEN taz | Die Dresdner Polizei wollte am Sonntag schon im Ansatz den Aufmarsch der rechtsextremen Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) ermöglichen. Nachdem 2010 Sitzblockaden den Aufmarsch verhindert hatten und nachdem das Sächsische Oberverwaltungsgericht die Polizei dafür gerügt hatte, das Demonstrationsrecht der Neonazis nicht entschieden genug durchgesetzt zu haben, sperrten die Beamten am Sonntag ganze Viertel ab. Potenzielle Gegendemonstranten wurden im Umkreis von mehreren hundert Metern durchsucht und zurückgewiesen. Wasserwerfer und Räumfahrzeuge standen bereit, um die Demonstration zu gewährleisten.

Um das Aneinandergeraten rechter und linker Gruppen zu vermeiden, hatte die Stadt Dresden am Sonntag, bis auf die Menschenkette, jegliche weitere Gegendemonstrationen in der Altstadt und südlich davon, wo die JLO demonstrierte, verboten. Mehrere Gerichte bestätigten die Entscheidung. Zwar versammelten sich am Nachmittag rund um die Sperrzone mehrere tausend Menschen, bis Redaktionsschluss marschierten die Rechtsextremen aber ohne größere Störungen.

Die massive Abschirmung ist umstritten, da sich auch die Gegendemonstranten auf die Demonstrationsfreiheit berufen. Jenas OBM Albrecht Schröter (SPD) nannte die Verlegung der Anti-Nazi-Proteste „beschämend“. Bei Stadtverwaltung und Polizei herrsche eine Grundunsicherheit, die zu falschen Entscheidungen führe. Stefan Thiele vom Bündnis Dresden Nazifrei sagte der taz: „Wir bestehen auf unserem Recht, in Hör- und Sichtweite gegen die Nazis zu demonstrieren. Für uns ist nicht das Versammlungsrecht, sondern die Legitimität unseres Protestes entscheidend.“

Die nächste Kraftprobe steht am Samstag an. Dann wollen Neonazis aus ganz Europa erneut in Dresden demonstrieren. Dazu mobilisiert Dresden Nazifrei deutschlandweit zu Sitzblockaden, zu denen neben 15 weiteren Bundestagsabgeordneten auch die Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Thierse (SPD), Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und Petra Pau (Linke) aufrufen.

MARTIN KAUL