Polizei stellt Verkehrssünder-Datei ins Internet

Die Darmstädter Polizei hat World Wide Web und Intranet verwechselt. Die Panne entsetzt auch Hessens Innenminister

FRANKFURT/MAIN taz ■ Sie wohnen in Südhessen und wollen wissen, ob der Ihnen bereits lange verdächtige Nachbar sich schon mal Kokain reingezogen hat und danach Auto gefahren ist? Kein Problem. Ein Blick ins Internet genügt. Die Polizei in Darmstadt listet auf 13 frei zugänglichen Websites die Namen und persönlichen Daten inklusive der aktuellen Adressen von Personen auf, die ihr im Februar 2006 bei Verkehrskontrollen auf der A 3 bei Darmstadt ins Netz gegangen sind.

Detailliert wird in diesen Einsatzprotokollen auch berichtet, welche Autofahrer positiv auf Rauschmittel getestet wurden und wer gänzlich ohne Führerschein unterwegs war. Einen Auszug aus den Vorstrafenregistern der 41 erwischten Personen nebst einer Aufzählung der laufenden Ermittlungsverfahren gibt es als Serviceleistung gleich noch mit dazu.

„So etwas darf nicht vorkommen“, erklärte das Polizeipräsidium Südhessen gestern in einer ersten Stellungnahme. Zerknirscht wurde dort ein entsprechender Bericht der Lokalzeitung Darmstädter Echo bestätigt. Das Blatt war von einem Rechtsanwalt in Köln auf die gravierende Datenpanne bei der Polizei aufmerksam gemacht worden. Bei Recherchen im Internet war der Advokat zufällig auf die eigentlich nur für den internen Gebrauch bestimmten Websites der Polizei gestoßen.

„Ein einmaliges bedauerliches Versagen“, versicherte die Polizei in Darmstadt. Doch bis Redaktionsschluss war es den Spezialisten dort noch nicht gelungen, die auch vom Hessischen Datenschutzbeauftragten monierte Panne zu beheben. „Wir sind derzeit noch bei der Ursachenforschung“, sagte Polizeisprecher Karlheinz Treusch.

„Es darf nicht sein, dass solche sensiblen Daten für jedermann einsehbar im Internet stehen“, kritisierte der oberste hessische Datenschutzbeauftragte Michael Ronellenfitsch. Er forderte die Polizeibehörde zu einer sofortigen Stellungnahme auf. Eine Rüge an die Adresse der zuständigen Dienststelle wollte er nicht ausschließen. Zudem drohte er den für die Panne verantwortlichen Personen mit disziplinarischen Maßnahmen.

Die oppositionelle SPD im Hessischen Landtag forderte von Innenminister Volker Bouffier (CDU), die Schlamperei sofort abzustellen. Es sei ungeheuerlich, dass die Daten noch immer im Internet einsehbar seien, so die Landtagsabgeordneten Günther Rudolph und Michael Sieben. Bouffier müsse in der nächsten Sitzung des Innenausschusses am Mittwoch kommender Woche umfassend über Ursachen und Hintergründe dieser „in vielfacher Hinsicht unverantwortlichen Panne“ Bericht erstatten.

Auch die Bündnisgrünen im Landtag forderten Bouffier auf, dort detailliert zu erklären, wie es zu den Vorfällen habe kommen können, wer dafür die Verantwortung trage und wie sichergestellt werden könne, dass sich solche Vorgänge nicht wiederholten. Bouffier seinerseits forderte von der Darmstädter Polizei eine umfassende Berichterstattung und schloss sich mit dem Datenschutzbeauftragten kurz.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT