„Den Boten erschießen“

PRESSEFREIHEIT I Angriffe auf al-Dschasira und andere Journalisten

KAIRO dapd/afp/taz | Die ägyptischen Sicherheitskräfte und mutmaßlich mit ihnen zusammenarbeitende Schlägertrupps gehen inzwischen gezeilt gegen Beobachter der Proteste vor. Dutzende ausländische Journalisten wurden festgenommen. Am Freitag verbot das Militär Journalisten, den Tahrir-Platz von den Balkonen der umliegenden Hotels aus zu fotografieren oder zu filmen. Wer es trotzdem tue, müsse mit der Konfiszierung seiner Ausrüstung rechnen, hieß es.

Am Freitag wurde offenbar das Büro des Nachrichtensenders al-Dschasira in Kairo angegriffen und verwüstet. Ein Sprecher des Senders, der seit Beginn der Proteste so umfangreich wie niemand sonst aus Ägypten live berichtet und auch die Kundgebung auf dem Tahrir-Platz live übertrug, sprach von einer „Bande von Dieben“, die Feuer gelegt und die Ausrüstung beschädigt hätten. Der Sender sprach von einem Versuch des Regimes oder seiner Anhänger, al-Dschasira an einer Berichterstattung über die Proteste in Ägypten zu hindern.

Schon am Donnerstagabend (Ortszeit) hatte das Komitee zum Schutz von Journalisten in Washington bekannt gegeben, dass mindestems 24 Journalisten in den vorangegangenen 24 Stunden in Ägypten festgenommen worden seien. 21 Reporter seien angegriffen und in fünf Fällen sei die Ausrüstung von Journalisten beschlagnahmt worden.

Auch Menschenrechtsorganisationen sind von der Repression betroffen. So wurde bereits am Donnerstag in Kairo das Büro einer Menschenrechtsorganisation gestürmt. Mindestens 30 Personen wurden dabei festgenommen. Laut James Lynch, dem Amnesty-International-Sprecher für die Region, wurden zwei Mitglieder von Amnesty International fortgebracht. Während der Polizeiaktion habe eine aggressive Menschenmasse die Festgenommenen geschlagen und getreten.

Internationale Kritik an den systematischen Angriffen auf Reporter und Menschenrechtsgruppen, wie sie unter anderem US-Vizepräsident Joe Biden und SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier äußerten, ließ die Regierung in Kairo unbeeindruckt. Ein Journalist von al-Dschasira kommentierte den versuchten Ausschluss der Weltöffentlichkeit von den Massenprotesten mit den Worten: „Wenn die Schlacht verloren ist, erschießt man zuerst den Boten.“