NICK REIMER ÜBER DIE VORWÜRFE AN DIE BILLIGKETTE PRIMARK
: Das System der Ausbeutung

Kapitalismus ist die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. So stand es in DDR-Lehrbüchern. Nicht doch, nicht doch, hieß es im anderen Teil Deutschlands: Wir haben die „Soziale Marktwirtschaft“. Ein feines „In-die-Tasche-Lügen“, wie uns die irische Billigkette Primark täglich vor Augen führt: Damentop für 4 Euro, Sandalen für 8 Euro geht nur, weil irgendwo jemand schrecklich ausgebeutet wird. Statt sich darüber zu entrüsten, posten die jungen Frauen „ihren Look“ auf Primarks Plattform Primania: „Bikini für 7 Euro!“

Unerheblich, ob die jetzt gefundenen Etikette mit Hilferufen vermeintlicher NäherInnen echt sind: Primark ist kein Einzelfall. C&A bietet gerade Bio-Baumwoll-Herrenshirts für 3 Euro an. Bei Ikea gibt’s Bettwäsche für 12,99, Media-Markt offeriert die kabellose Computermaus plus Tastatur für 14,99. Das geht nur durch Ausbeutung: Ausbeutung der Menschen, die für Hungerlöhne schuften, Ausbeutung der Umwelt, die geschunden wird, Ausbeutung der Zukunftsressourcen, die verplempert werden. Kapitalistische Ausbeutung – und alle machen gerne mit.

Es ist gut, wenn AktivistInnen vor die Primark-Filiale ziehen, die am Donnerstag in Berlin eröffnet werden soll. Ihre Demonstration wird hoffentlich den potenziellen Primark-Kunden ein paar unbequeme Fragen ins Bewusstsein rufen. Am System ändern wird sich aber nichts. Kann ja sein, dass aufgeklärte Erdenbürger bewusst konsumieren, um so die Welt zu verbessern. Davon wird die Welt aber nicht besser. Geschäft ist Geschäft, und je größer die Gewinnspanne ist, desto sicherer wird das Geschäft gemacht. Da ist dann egal, ob Primark Billigtextilien nach Deutschland liefert – oder Deutschland Billiggeflügel nach Afrika. Wer sich über Primark entrüsten will, der muss sich über den Kapitalismus entrüsten.

Wirtschaft + Umwelt SEITE 8