„Wir reden nicht, wir machen“

THEATER Mit dem „Fritz“ eröffnete vergangenen November das erste Bremer Theater mit Varieté Schwerpunkt seit 1967. Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen

Die Enstehungsgeschichte des „Fritz“ ist schnell erzählt: Eine Kneipenidee, entsprossen aus Abstechern in die Hamburger Boulevard Szene

VON ELENA VON OHLEN

„In Bremen geht man zum Lachen in den Keller“. Dieser Schriftzug prangt über dem Eingang des neuen Unterhaltungsetablissements, dem „Fritz“. Und wirklich, unten, auf den samtenen Polstern des Theatersaals, amüsiert man sich. Worüber, wird in den ersten Minuten der ersten großen Eigenproduktion, „Poschnicks lustige Opernschule“, Teil eins mit George Bizets „Carmen“, noch nicht ganz klar.

Ist es der „eestreichische“ Dialekt des Kronprinzen Karl Konrad? Die verschrobene Pfiffigkeit seines Hofdieners Poschnick? Oder doch eher die Tatsache, dass der Aufzug des ganzen Stücks (gewollt, weil Lehrstückcharakter?) eher nach Schultheater aussieht?

Auf der Bühne finden wir keinen Flügel, sondern ein E-Piano, als Requisiten dienen lediglich Poschnicks Rednerpult und der Thron des Kronprinzen. Weniger soll ja oft mehr sein, aber so richtig in Fahrt kommt das Stück erst, als Carmen die Bühne betritt. Die Mezzosopranistin Stefanie Golisch ist kein unbeschriebenes Blatt. So spielte sie etwa am Staatstheater Braunschweig und an der Hamburger Kammeroper die Rolle der Cenerentola in der gleichnamigen Oper von Rossini – und wurde für diese von der Lokalpresse in den Himmel gelobt.

Ihr Zusammenspiel mit Escamillo (Levent Bakirci) ist schön anzusehen und -hören, und auch Poschnick und Karl Konrad drehen nun auf. Ist das Stück auch am Anfang etwas langatmig und unprofessionell, so wird doch im Laufe des Abends klar, dass das „Fritz“ bemüht ist, etwas Neues zu präsentieren. Ziel des Ganzen sei es, so die Gründer, die alt eingesessene Kunstform Oper populärer zu machen, deren Unterhaltungspotenzial stärker auszuschöpfen. Klassische Opern, erklärt für Laien. Die berühmten Arien, gekonnt vorgetragen von mit Bedacht ausgesuchten Gästen, gemischt mit hausgemachter Bremer Comedy. Timm Kulke, Autor und Regisseur des Stücks und Mitgründer des „Fritz“ ist auch Mitgründer des Bremer Comedyclubs und somit kein Neuling im Unterhaltungsgeschäft.

Die Enstehungsgeschichte des „Fritz“ ist schnell erzählt: Eine Kneipenidee, entsprossen aus Abstechern in die Hamburger Boulevard Szene, die aufkommende Frage, warum es so etwas in Bremen nicht gebe. Die Gründung des Comedyclubs erfolgte vor drei Jahren, ein eigenes Haus wurde gesucht und gefunden: Das seit 2002 leerstehende Gebäude am Herdentorsteinweg beherbergte bis 1967 das „Astoria“, Varieté- und Unterhaltungstheater, legendär und einzigartig in Bremen. Bis das „Fritz“, dessen Name eine Hommage an den Gründer des „Astoria“, Emil Fritz, ist, im November 2010 dessen Tradition wieder aufleben ließ.

„Das Gebäude war eine Ruine, wir haben es von Grund auf saniert“, so Kulke. „Natürlich steckt eine Menge Risikopotenzial in so einem Vorhaben. Aber wir reden nicht viel, wir machen.“ Die Gründer des „Fritz“ scheinen alles richtig gemacht zu haben. Sie haben – komplett subventionsfrei – in eine Nische investiert, Aufführungen sind nicht selten ausverkauft. Das mag an der Vielfalt des Programms liegen: „Comedy ist unser Steckenpferd“, sagt Kulke, aber im „Fritz“ wolle man sich nicht auf ein Genre festlegen.

Sowohl Eigenproduktionen wie etwa weitere Teile der Opernschule (Stichwort Mozart) als auch Gastauftritte von Kabarettisten wie Vince Ebert, einer Burlesque-Show aus Berlin oder eine Lesung des selbst ernannten Rock’n’Roll Übermenschen Bela B., Weltuntergangsszenarien vortragend, stehen im Frühjahr auf dem Programm. Genauso wie auch die Finalrunden der Castingshow „Energy Next Showstars“, im Zuge welcher ein eigenes Ensemble für das „Fritz“ zusammengestellt werden soll.

Das Gemisch erinnert entfernt an das Programm des Theaterschiffs. Zu dessen Inhaber und Theater-Oberguru Bremens, Knut Schakinnis, habe man im „Fritz“ ein einwandfreies Verhältnis. Kulke: „Das haben wir im Vorfeld geklärt. Wir sind keine Konkurrenten.“ Das Theaterschiff biete zudem eine andere Form der Unterhaltung an. „Was wir machen, gibt es auch nur bei uns.“ Zumindest was die Opernschule betrifft, mag er damit Recht haben.