„Ein Hertha-Friedhof wäre interessant“

Carolin Seufert, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim Bestattungsunternehmen Ahorn-Grieneisen, über die rückläufige Sterberate in Berlin, die weitgehende Tabuisierung des Todes und Friedhöfe für Fußballfans

taz: Frau Seufert, immer mehr Friedhöfe schließen wegen Unterbelegung – das Leben in Berlin scheint sehr lebenswert zu sein. Oder gibt es dafür eine andere Erklärung?

Carolin Seufert: Die gibt es tatsächlich. Es ist so, dass Berlin aufgrund der Teilung sehr viel Friedhofsflächen hatte – zu viel, wie man nach der Wiedervereinigung sah. Außerdem ist die Stadt in den vergangenen Jahrzehnten nicht so stark gewachsen wie erwartet. Da gab es von vornherein ein Friedhofsüberangebot, das durch eine sinkende Sterberate verstärkt wird. Der Hauptgrund aber ist, dass sich das Bestattungsverhalten geändert hat.

In welcher Weise?

Wir haben viel mehr Feuerbestattungen als früher, ihr Anteil beträgt heute in Berlin rund 80 Prozent. Ein Urnengrab benötigt natürlich nur den Bruchteil der Fläche einer traditionellen Erdbestattung. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Berlin tatsächlich stark von den südlichen, katholisch geprägten Bundesländern. Weniger gestorben als woanders wird aber nicht. Wobei … vielleicht ein bisschen: dadurch, dass in den letzten Jahren sehr viele junge Leute hierher gezogen sind.

Wie kommt es zu diesem Trend weg von der Erdbestattung?

Durch den Mobilitätszuwachs haben die Menschen weniger Zeit, sich um Gräber zu kümmern, sie ziehen ein pflegeleichtes Urnengrab vor. Auch die geringeren Kosten für eine Feuerbestattung spielen eine Rolle. Abgesehen davon hat sich der kulturelle Umgang mit dem Sterben grundlegend gewandelt: Der Tod ist ein Tabuthema, das aus dem Alltag ausgelagert ist. Darum gibt es auch keine lebendige Bestattungskultur.

Wie sieht es mit der „Friedhofsflucht“ aus, mit See- oder Waldbestattungen?

Auch das wird häufiger nachgefragt. Wir beobachten eine Individualisierung beim Bestattungsverhalten. Immer mehr Menschen suchen nach Alternativen zur Standardbestattung – wir hatten zum Beispiel auch schon eine Weltraumbestattung.

In Hamburg ist ein Friedhof für HSV-Fans geplant, eine Art Fan-Familiengrabstätte. Wäre das etwas, was Sie sich auch in Berlin vorstellen könnten?

Na ja, für HSV-Fans sicher nicht – aber prinzipiell finde ich die Idee interessant. Friedhofsbetreiber müssen wegen der rückgängigen Belegungszahlen auch mal etwas Ungewöhnliches wagen. Das gilt auch für die Bestattungsunternehmen. Sollte etwa eine letzte Ruhestätte für Hertha-Fans angedacht werden, wären wir da bestimmt ganz vorne mit dabei.

Interview: MARKUS WANZECK