„Gut, wenn wieder Fremde kommen“

SIMBABWE Nach desolaten Jahren hoffen die Menschen wieder auf bessere Geschäfte. Ihre Politiker werden ihnen dabei kaum helfen

■  Reisezeit: In Simbabwe ist subtropisches bis tropisches Klima. Regenzeit geht von November bis Februar. In der Sommerzeit zwischen April und Oktober liegen die Tagestemperaturen bei 25 bis 35 Grad.

■  Bevölkerung und Sprache: Das seit 1980 unabhängige Land hat rund 13 Millionen Einwohner. Die beiden wichtigsten Stämme sind die Shona und Ndeble mit eigenen Sprachen. Amtssprache ist Englisch. Die größten Städte sind Harare (1,6 Millionen) und Bulawayo (700.000).

■  Flüge: Direktflüge nach Harare mit British Airways und Air Simbabwe ab London sowie mit Ethopian Airlines ab Frankfurt über Addis Abeba. Inlandsflüge mit Air Zimbabwe zwischen Harare, Bulawayo und Victoria Falls.

■  Visum: Das Touristenvisum ist für 30 US-Dollar bei der Einreise erhältlich.

■  Gesundheit: In einigen Regionen wie Victoria Falls und dem Hwangae-Nationalpark ist Schutz vor Malaria dringend angeraten.

■  Sicherheit: Die Sicherheitslage ist relativ gut. In Harare ist nach Einbruch der Dunkelheit jedoch Vorsicht geboten.

■  Währung und Preise: US-Dollar, Südafrikanischer Rand und Euro werden meist problemlos akzeptiert. Münzen sind selten, als Wechselgeld werden oft Süßigkeiten oder Kugelschreiber angeboten. Die Preise erscheinen häufig willkürlich und sind meistens gerundet. Im Vergleich zu vielen touristischen Angeboten im südlichen Afrika ist das Preisniveau in Simbabwe gleichwohl moderat.

■  Natur: Hwangae, mit 15.000 Quadratkilometern der größte Nationalpark des Landes, beheimatet die größte Elefantenpopulation des Kontinents. Der Matopos-Nationalpark nahe Bulawayo sowie die Eastern Highlands östlich von Harare sind ebenfalls sehenswert.

VON MARTIN JAHRFELD

Wahrscheinlich zählt es zu den besonderen Qualitäten autoritärer Systeme, Besuchern jenes Gefühl von Unwirklichkeit zu vermitteln, wie es sonst nur Agentenfilme bieten: Nichts ist tatsächlich so wie es scheint, alles Öffentliche spricht mit gespaltener Zunge, jedes Wort will gewogen, jede Geste gedeutet werden. Bis schließlich nach einigen Tagen auch die Häuser anfangen wie aus Pappmaschee – oder ist es Styropor? – auszusehen. „Oh ja, ich habe ihn schon zweimal persönlich kennengelernt“, sagt Rosanna, die fröhliche junge Dame im Tourist Office von Harare. Sie blickt auf das Foto an der Wand. „Zweimal hat er uns in seine Residenz eingeladen. Mit fünfzig Kollegen waren wir dort. Er war ein toller Gastgeber, so charmant und humorvoll, wie wir es gar nicht erwartet hätten. Er hat sich wirklich um uns bemüht, obwohl wir ja keine wichtigen Leute waren, sondern nur kleine Angestellte.“

Der solcherart Gepriesene, Simbabwes Staatschef Dr. Robert Mugabe, vermag auch mit 86 Jahren noch zu überraschen. Die inzwischen dreißig Jahre seiner Präsidentschaft haben das Land zwar an den Rand des Ruins geführt, seine eigene Vitalität aber offenbar nicht beeinträchtigt. Gute Gene, behaupten seine Anhänger, regelmäßige Frischzellenkuren bei den politischen Freunden in Peking, glauben die Gegner. Man weiß es nicht so genau.

Die Sache mit seinem Humor lässt sich immerhin leichter recherchieren. Dass der – anders als Rosanna behauptet – so groß nicht sein kann, erleben wir noch am selben Tag während der Stadtrundfahrt. „Kameras runter! Sofort runter! Keine Fotos!“, schreit unser Guide, als der Bus die weitläufige Residenz des Präsidenten passiert: Weiß getünchte Mauern, die üppige Gärten verbergen, Wachhäuschen, Kontrollposten mit Maschinengewehren, Stacheldraht, Verbotsschilder. Die Verschanzung der Macht schreit nach fotografischer Dokumentation, doch der Guide bleibt unerbittlich.

Die zugänglichen Motive der Hauptstadt sind für das Regime jedoch nicht weniger kompromittierend: Die Textil- und Ramschmärkte in Harares Armenviertel Mbare, auf denen sich viele Händler, aber kaum Käufer tummeln, die Fußgängerzone voller Schlaglöcher und rostiger Leitungsstränge, der African Unity Square, auf dem allein die wunderbar violett blühenden Jacaranda-Bäume von dem überall herumliegenden Müll ablenken.

Simbabwe hat zehn harte Jahre hinter sich. Brutale Gewalt der Mugabe-Regierung gegen eine erstarkende Opposition, eine katastrophale Landreform, die zur Zerstörung der hochproduktiven Agrarwirtschaft führte, sowie zuletzt eine Hyperinflation haben den einstigen Vorzeigestaat in einen Krisenherd verwandelt. Cholera und Aids sind auf dem Vormarsch, achtzig Prozent der Menschen ohne Arbeit, Millionen nach Südafrika geflohen.

Seit die Landeswährung 2009 gegen US-Dollar und Südafrikanischen Rand ausgetauscht wurde und Mugabe auf internationalen Druck mit der Opposition in eine große Koalition eintrat, hat sich die Lage immerhin stabilisiert. Die lange Zeit leeren Regale sind wieder voller Waren, die politischen Konflikte wenn auch nicht gelöst, so doch befriedet.

Die Tourismusbehörde würde vor diesem Hintergrund am liebsten zur Tagesordnung übergehen und wieder jene Afrikaromantik aus Weite und Wildnis vermarkten, die sich in Regionen wie dem Hwangae-Nationalpark tatsächlich im Überfluss findet.

Doch die Wirklichkeit ist weniger romantisch: Selbst an Top-Zielen wie den weltberühmten Victoriafällen nahe Sambia blieben die Hotels in der Vergangenheit meist leer. Das Geschäft kommt nur langsam wieder in Gang.

Tourismusminister Walter Mzembi, der in Harare anlässlich einer Touristikmesse zur internationalen Pressekonferenz geladen hat, kennt die Schuldigen der Misere. Es sind Simbabwes Medien. „Schauen Sie sich doch die Schlagzeilen an“, schäumt der Politiker, während er ein Blatt nach dem anderen hochhält: „Korruption, Diamantendiebstahl, Kapitalflucht, Vergewaltigung, Straßenraub, Aids – kein Wunder, dass unser Land weltweit einen so schlechten Ruf hat, wenn die Medien nur Negatives berichten.“

Absurde Schuldzuweisung

Im nächsten Moment driftet die Veranstaltung ins Absurde. Die Medienschelte stößt nicht etwa auf Widerspruch, sondern erntet Beifall. Ein Teil der anwesenden Journalisten ist offenbar gekauft. „Touristen interessieren sich nicht für Politik, die Politik lässt sich ohnehin nicht ändern. Man sollte mehr über Simbabwes Schönheiten berichten“, sekundiert ein angeblich aus Südafrika stammender Kollege.

Das Theater wäre zum Lachen, würde es nicht all jene verhöhnen, die das Land mit eigenen Ideen wieder aufzubauen versuchen. „Es ist immer dasselbe“, schimpft Caroline Dodzo, die in Harare eine Initiative für lokalen Ökotourismus unterstützt. „Mugabe und seine Leute haben hier noch nie für irgendwas Verantwortung übernommen. Immer sind es die anderen, die schuld an der Misere sind: die Amerikaner, die Briten, George Bush, die EU, die CIA, die internationalen Medien.“

Wir befinden uns fünfzig Kilometer östlich von Harare in einem kleinen Dorf, wo es sich offenbar freier reden lässt als in der Stadt. Dominik, der 78-jährige Chef des Dorfes, und seine Leute würden gerne Touristen beherbergen, ein solides Steinhaus mit gemütlichen Schlafplätzen und Leihfahrräder sind bereits vorhanden. Doch die Idee ist einigermaßen illusorisch. Das Dorf liegt weitab der Hauptstraße, hat weder Elektrizität noch besondere Attraktionen. Wer hier Touristen hinbekommen will, muss ein überragendes Marketinggenie sein.

Caroline und ihre Initiative unterstützen das Projekt trotzdem: „Vielleicht könnte man Schulklassen aus Harare einladen, damit sie lernen, wie die Leute auf dem Land leben.“ Dem Dorfchef ist die Sache überaus ernst. „Wir brauchen neue Einnahmequellen. Die Böden geben nicht genug her. Es gibt nicht immer genug zu essen. Damit es für alle reicht, müssten wir Kunstdünger kaufen können, aber dafür haben wir kein Geld.“

Während touristische Fachkräfte das Land verlassen haben, investiert der Chef des Zimbabwe Tourist Board sein Budget vorzugsweise in den Unterhalt seiner Mätressen

Das Geld ist woanders. Kurz vor der Fußball-WM spendierte Tourismusminister Mzembi großzügig knapp eine Million US-Dollar für ein Gastspiel des brasilianischen Nationalteams in seinem Land. Die Edelkicker wurden von seinem eigenen Busunternehmen chauffiert. Immerhin, so der Minister, könne Simbabwes Elf auf diese Weise gegen eine internationale Top-Mannschaft antreten. Derartige Eskapaden sind noch die moderate Form von Korruption in Simbabwe.

Unkompliziertes Reiseziel

Während viele touristische Fachkräfte das Land in den vergangenen Jahren Richtung Südafrika verlassen haben, investiert Karikoga Kaseke, Chef des Zimbabwe Tourist Board, sein Budget vorzugsweise in den Unterhalt seiner eigenen Mätressen. Als er mit seinem BMW im September einen Unfall verursachte, entstiegen nicht weniger als drei örtliche Schönheitsköniginnen, darunter Miss Simbabwe höchstselbst, der vollständig lädierten Nobelkarosse.

Wer als Besucher umherreist, begreift schnell, dass die Menschen Besseres verdient haben. Simbabwe hat nicht nur eine faszinierende Natur, eine weit zurückreichende Geschichte, riesige Wildtierbestände und die spektakulärsten Wasserfälle des Kontinents, sondern ist ungeachtet aller Not noch immer ein sicheres, relativ unkompliziertes Reiseziel. Das viel gerühmte Straßennetz ist nach wie vor hervorragend, das Übernachtungsangebot gut, die Freundlichkeit der Menschen oft geradezu entwaffnend.

Wer sich neokolonialer Attitüden enthält und Neugier für den Alltag aufbringt, kann nicht nur gut gelaunte, sondern auch erstaunlich gut informierte Gesprächspartner treffen. Mitunter gelingt das sogar ganz ohne Mimikry: „Wir haben zwei Jahre nur Maisbrei gegessen. Ich bin total schlank geworden“, lacht die 24-jährige Wadzanai, deren jugendliche Unbeschwertheit darauf hindeutet, dass sie darin vor allem eine sportliche Herausforderung gesehen hat. Auf einer Verbrauchermesse präsentiert sie einen neuartigen Holzkochofen, der wegen der vielen Stromausfälle im Land Einsatz finden soll. Wenn sie nicht jobben muss, studiert sie Energiewirtschaft an Harares Universität. „Gut, wenn wieder Fremde kommen, gut, wenn sich überhaupt wieder jemand für uns interessiert.“

Dass die Regierung in Deutschland wieder auf Atomenergie setzt, hat sie gehört. Doch davon hält sie so wenig wie von der Diamantenförderung in ihrem Land: „Atomkraft ist viel zu gefährlich. Und die Diamanten gehen sowieso nur an die Reichen. Wir in Afrika müssen die Solartechnologie weiter voranbringen. Dann produzieren wir in Zukunft den Strom und liefern ihn euch.“