Kein Hartz für zugereiste Rumänin

EUROPÄISCHER GERICHTSHOF Deutschland darf Zuwanderern aus den EU-Staaten weiterhin Hilfe verwehren, wenn diese nur wegen der möglichen Sozialleistungen kommen

AUS LUXEMBURG CHRISTIAN RATH

Bedürftige EU-Bürger, die in Deutschland keine Arbeit suchen, haben keinen Anspruch auf Hartz IV. Das empfiehlt der unabhängige Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH). Deutschland dürfe sich vor „Sozialtourismus“ und anderem „Missbrauch“ der hiesigen Sozialleistungen schützen.

Konkret ging es um den Fall der 24jährigen Rumänin Elisabeta Dano, die mir ihrem vierjährigen Kind in der Wohnung ihrer Schwester in Leipzig lebt und von dieser auch unterstützt wird. Das Job-Center Leipzig hatte den Hartz-IV-Antrag unter Verweis auf die deutsche Rechtslage abgelehnt. Danach haben EU-Ausländer keinen Anspruch auf Hartz IV, wenn sie nach Deutschland kommen, um Arbeit zu suchen. Ausgeschlossen sind in den ersten drei Monaten auch wirtschaftlich inaktive EU-Bürger – wobei diese anschließend ausgewiesen werden dürfen, soweit sie sich nicht selbst finanzieren können. Frau Dano lebt allerdings schon einige Jahre in Deutschland. Mehrfach bescheinigten ihr die Leipziger Behörden die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts. Bisher lebt sie bei ihrer Schwester, die sie mit Lebensmitteln versorgt. Vom deutschen Staat bekommt sie bisher monatlich 184 Euro Kindergeld und 133 Euro Unterhaltsvorschuss, weil der Vater keinen Unterhalt zahlt. Bei der Hartz-IV-Grundsicherung würde dies angerechnet, diese wäre aber mit 391 Euro für die Mutter und 229 Euro für das Kind deutlich höher. Dano verlangt Gleichbehandlung mit deutschen EU-Bürgern.

Das Sozialgericht Leipzig stufte Dano als wirtschaftlich inaktiv ein, da sie bisher in Deutschland nicht gearbeitet habe und auch keine Arbeitssuche nachweisen konnte. Die Richter wollten vom EuGH wissen, ob in diesem Fall Hartz IV bezahlt werden muss.

Generalanwalt Melchior Wathelet kam zu einem klaren Ergebnis: In derartigen Fällen dürfen deutsche Richter Hartz-IV-Anträge ablehnen. Es sei „legitim“, dass Deutschland Bürgern aus anderen EU-Staaten die Grundsicherung verweigern kann, „soweit diese ihre Freizügigkeit einzig und allein mit dem Ziel ausüben, Sozialhilfe in einem anderen Mitgliedstaat zu erhalten, obwohl sie nicht über ausreichende Existenzmittel verfügen, um ein Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten zu beanspruchen“. Die Empfehlung gilt nur für den relativ seltenen Fall, dass jemand weder Arbeit sucht noch geringfügige Tätigkeiten ausübt.

Es ist nicht einmal sehr wahrscheinlich, dass der EuGH dem Generalanwalt in diesem Fall folgt. Denn Wathelet wandte sich ausdrücklich gegen die bisherige EuGH-Rechtsprechung in derartigen Fällen, die eine Einzelfallprüfung forderte. Wathelet findet, dass die differenzierte bisherige EuGH-Rechtsprechung, die in der mündlichen Verhandlung auch von der EU-Kommission unterstützt wurde, „in die Sackgasse führt“.

Denkbar ist als Urteil auch eine dritte Lösung. In der Verhandlung im März fragten nämlich mehrere Richter, warum die deutschen Behörden nicht den Aufenthalt von Frau Dano und ihrem Kind beendeten. Sie schienen das Verhalten der deutschen Behörden widersprüchlich zu finden. Ein derartiges Urteil könnte dazu führen, dass Ausländerbehörden bedürftige EU-Bürger künftig so schnell wie möglich ausweisen, um kein Hartz IV zahlen zu müssen. Politisch würde dies die Einführung von Wiedereinreisesperren für ausgewiesene bedürftige EU-Bürger beschleunigen. Das EuGH-Urteil wird voraussichtlich in einigen Monaten verkündet und juristische Leitlinien vorgeben. (Az.: C-333-13)