Ärmel aufkrempeln, zupacken, bohren

Volker Harzdorf zeigt in seinen Heimwerkerkursen, wo der Hammer hängt – und wie man ihn benutzt. Seine Kunden sind zu über 90 Prozent Frauen, die nicht länger abhängig sein wollen. In acht Stunden lernen sie das ganze Heimwerker-Programm von Bohren über Sägen bis zur Elektrik kennen

VON SÖRRE WIECK

Ich erfülle ein Klischee. Mit meinen 29 Jahren habe ich noch nie eine Bohrmaschine in der Hand gehalten. Das heißt, in der Hand gehalten schon. Allerdings nur, um sie meinem Freund weiterzureichen. Der ist Zimmermann und prädestiniert für den Job. Wenn die Stunde des Lochbohrens schlägt, ist mein Werkzeug der Staubsauger. Damit sich das ändert, bin ich beim Heimwerkerkurs von Volker Harzdorf in der Hamburger Wexstraße.

Eine gut 90 Quadratmeter große Werkstatt, in der Geräte wie Materialien fein säuberlich auf ihrem Platz liegen. Mit mir werden an diesem Wochenende zwei weitere Frauen selbständig: Die 21-jährige Studentin Janne Jürgens und die 65-jährige Rentnerin Rosemarie Vollmer. In zwei mal vier Stunden will Kursleiter Harzdorf – ein tätowierter Rocker mit Lederhalsband und beruhigender Stimme – uns das Einmaleins des Heimwerkens beibringen. Den Anfang macht der 39-Jährige mit dem „schweren Bergungsgerät“ – Bohrmaschine, Akkuschrauber, Stichsäge. „Keine Panik. Alles eine Frage der Übung“, sagt Volker und erzählt uns zunächst Grundlegendes zu Bohrfutter, Bits und Co., bevor wir selbst Hand anlegen dürfen.

Etwas angespannt bin ich dennoch, als Rosemarie mir die Bohrmaschine mit den aufmunternden Worten „jetzt du“ in die Hand drückt. Ich stelle mich mit einem Ausfallschritt vor die Wand, die Bohrmaschine fest in der Hand und gebe Gas. Und drücke. Ganz schön schwer, so eine Maschine. Hoffentlich durchtrenne ich keine Leitungen. Verdammt laut ist es auch. „Du musst den Hebel auf Schlagbohren umstellen“, reißt mich Volker aus meinen Gedanken. Unter ohrenbetäubendem Lärm frisst sich das Gerät in die Wand. Geschafft. „Und jetzt rausziehen und die Maschine weiterlaufen lassen“, ruft Volker. Der Putz fällt in einen mit Kreppband befestigten Kaffeefilter unter dem Loch. „Falls ihr mal niemanden für den Staubsaugerjob habt“, grinst der Do-It-Yourself-Mann.

Nachdem sich sein handwerkliches Geschick unter Freunden herumgesprochen hatte, beschloss Harzdorf, Bühnenbauer und Fachkraft für Veranstaltungstechnik, sich mit Kursen für Anfänger selbständig zu machen. Darüber hinaus bietet er einen Werkzeugverleih an und kommt unter dem Motto „Rent-A-Profi“ auch ins Haus. In seiner Werkstatt schulte er bislang 130 Teilnehmer. 120 davon waren Frauen. „Viele meiner Teilnehmerinnen sind alleinstehend. Andere wollen nicht mehr von ihrem Partner abhängig sein“, sagt der Heimwerker-Experte. So auch Rosemarie: „Mein Mann sagt immer, er macht es, aber bis tatsächlich was passiert, vergehen Monate“, ärgert sich die Rentnerin.

„Damit du es mal besser hast als ich und weißt, wie es geht“ waren die Worte von Jannes Mutter, als sie ihrer Tochter den Kurs schenkte. Völlig unbedarft ist Janne im Heimwerken allerdings nicht. „Neulich habe ich schon ein CD-Regal angebracht, jetzt möchte ich mir einen Schreibtisch bauen“, sagt die junge Frau. „Den Damen fehlt häufig nur die Erfahrung“, macht Volker uns Mut. Das steigere die Hemmschwelle. Deswegen lege er soviel Wert auf die praktischen Einheiten.

Nachdem wir Bekanntschaft mit dem Akkuschrauber gemacht haben, wenden wir uns der Stichsäge zu. Während ich die zackige Maschine erst einmal aus der Distanz beäuge, ist Rosemarie schon dabei, mit einem Eisenwinkel einen Strich anzuzeichnen, das Brett mit Schraubzwingen festzuklemmen und ohne zu zögern die Stichsäge anzuschmeißen – zum ersten Mal in ihrem Leben, wie sie über ihre Brille hinweg betont. Dabei wirkt sie so, als hätte sie ihr Leben lang auf diesen Moment gewartet. Ratzfatz ist das Brett ab und es duftet nach frischem Holz. Rosemaries Augen leuchten. „Klappt doch super“, lobt Volker. Ebenso bei Janne, die das Brett beherzt in einem Rutsch durchsägt.

Dann bin ich dran. Die Maschine ist mir nicht geheuer. Mit den scharfen Zacken auf- und abratternd – das könnte ja auch mal ins Auge gehen oder den Finger erwischen. Oder gleich die ganze Hand. Oder … Volker scheint meine Gedanken zu lesen. „Den Respekt vor dem Gerät solltest du nicht verlieren, aber die Angst schon.“ Zudem sei bei seinen Kursen bislang kein Blut geflossen. „Außer meinem“, schiebt Volker hinterher, „aber mit einem Rockerpflaster – Taschentuch, Klebeband drum und 24 Stunden nicht druntergucken“ – sei das auch kein Beinbruch gewesen. Ich nehme meinen Mut zusammen und lege los. „Na bitte, geht doch“, lobt Volker, als das Brett mit einem „klonk“ auf den Boden fällt. Meine Lieblingsbeschäftigung wird das sicherlich nicht.

Dann schon eher Farbe lösen mit dem Heißluftföhn. Das stinkt zwar, geht dafür aber leicht von der Hand. Im Gegensatz zum Exzenter-Schleifer. Um dieses rotierende Monstrum im Zaum zu halten, bedarf es einiger Kraftaufwendung. Rosemarie: „Das geht ja durch Mark und Bein. Das überlasse ich lieber meinem Mann.“ Da kann ich nur beipflichtend nicken. Entspannter wird es am nächsten Tag. Bei Gebäck und Heißgetränken stellt Volker das restliche Programm vor: Löcher zuspachteln, tapezieren, Umgang mit Farbe, Lacken, Silikonkartuschen, Zierleisten anbringen, ein Stahlseil spannen, Werkzeugkiste packen, Grundlagen Sanitär und Elektro.

Dreieinhalb Stunden später sind wir beim letzten Punkt angelangt und erfahren, dass die Leitungen normalerweise waagerecht oder senkrecht zu den Steckdosen verlaufen, in der Decke aber auch diagonal verlegt sein können. Bevor wir Lampen anklemmen, immer die Sicherung rausdrehen, rät Volker. Mit einem Spannungsprüfer lässt sich testen, ob tatsächlich kein Saft mehr in der Dose ist. Dann schrauben wir die Kabel an die Lüsterklemmen – braun zu braun, blau zu blau, grün-gelb zu grün-gelb. Mir geht ein Licht auf – so schwer ist Heimwerken gar nicht. Man muss sich nur mit dem Werkzeug auskennen und zupacken. Das nächste Brett bringe ich an. Und mein Freund hält den Staubsauger.

Infos und Anmeldung: www.heimwerkerkurse-hh.de oder ☎ 040/48 40 32 25. Erwerbstätige zahlen 95 Euro, Studenten im November 70 Euro