Darf man Machos wieder lieben?
JA

ROLLEN Wenn in diesem Jahr „Shades of Grey“ in die Kinos kommt, werden Millionen verfolgen, wie eine Frau Dominanz genießt. Rollback oder Sehnsucht?

Die sonntaz-Frage wird vorab online gestellt.

Immer ab Dienstagmittag. Wir wählen eine interessante

Antwort aus und drucken sie dann in der sonntaz.

www.taz.de/streit oder www.facebook.com/taz.kommune

Judith Luig, 39, ist Autorin von „Breitbeiner: Warum wir Machos trotzdem mögen“

Ein Mann, der weiß, was er will, ist sexy. Seine „Komm, Baby, ich zeig dir die Welt“-Attitüde ist enorm unterhaltend. Mit wem würden Sie denn lieber essen gehen: mit dem postmodernen Mann, der wegen seiner No-Carb-Diät mit Salatblättern fastet, oder mit einem Macho, der sagt: „Der Typ macht die geilste Pasta der Welt, da müssen wir hin“? Der auf die Frage „Findest du mich zu dick?“ mit „Du siehst heiß aus“ antwortet und nicht mit „Vielleicht solltest du die Problemzone mal mit diesem tollen Body-Core-Workout bekämpfen? Ich kann dir meine DVD leihen“? Allerdings kann man einen Macho nicht länger als für ein kleines Intermezzo lieben. Eindimensionalität wird dann doch auf Dauer fade. Deswegen: Wir sollten unbedingt Machos wieder lieben. Und wieder und wieder. Aber echte Männlickeit geht anders.

Nicole von Horst, 26, ist Studentin und eine der #aufschrei-Initiatorinnnen

Klaro darf man Machos lieben. Wer soll denn das verbieten können – die Beziehungspolizei, allen bekannt als das Exekutivorgan des feministischen Gewaltmonopols? Schön wär’s. Und wem soll diese Liebe verwehrt werden? Frauen? Männern? Oder nicht eher dem deutschen Medienmainstream, der in die Idee des Machos verschossen ist? Aber wie klug, interessant, aufregend ist es, archaische Mannesbilder zu lobpreisen? Es ist so öde wie das Stereotyp vom Macho. Und seien wir mal ehrlich: Frauen, Männer, genderqueere Menschen verknallen sich nicht in Stereotype. Wir verlieben uns in andere Menschen, mit ihren Schwächen und ihren Widersprüchlichkeiten. Und je gleichberechtigter die Beziehungen sind, die daraus entstehen, umso glücklicher können wir sein.

Devana Remold, 38, zweifache Mutter, bloggt über ihre Erfahrungen im BDSM-Bereich

Was ist ein Macho? Kann dieses Wort nicht einfach für einen selbstsicheren Mann stehen? Einen, der mit beiden Beinen im Leben steht und durchsetzt, was er will? Einen, der die Souveränität hat, auch mal den Müll rauszubringen, ohne sich dabei einen Zacken aus der Krone zu brechen? Einen modernen Macho – so einen Mann brauche ich, denn auch ich bin eine starke Frau mit einem starken Willen. Ich brauche bei einem Mann das Gefühl, mit ihm auf Augenhöhe zu sein. Nur dann kann ich meiner sexuellen Neigung nachgeben und mich ihm unterwerfen, mich fallen lassen und neue Kraft schöpfen. Das Wunderbare an einem solchen Mann ist, dass er aus meinem Verhalten ebenfalls neue Kraft schöpft.

Petra Balzer, 49, ist ehemalige Chefsekretärin und Coach für Fach- und Führungskräfte

Als Chefsekretärin kennt man irgendwann die Männer des Managements genau, von denen man sagt, sie seien Machos. Im Übrigen gibt es da auch Frauen – also mitunter auch weibliche Machos. Als Sekretärin enttarnt man den Mythos Macho schnell. Wir kennen seine oder ihre Blutwerte, den Kontostand in Flensburg, aber auch den „inneren Kontostand“. Wir kennen die Stärken und geheimen Schwächen. In meiner Zeit als Sekretärin habe ich die Funktion als Korrektiv immer gern wahrgenommen. Ich war eine Art Hofnärrin, die auch mal ehrlich sein konnte gegenüber einem sogenannten Top-Manager, ganz einfach weil ich ihm oder ihr nicht gefährlich werden konnte. Das Macho-Sein ist nichts weiter als ein Spiel, das man auch als Frau mitspielen kann. Und eigentlich wollen sie alle einfach nur anerkannt werden – und geliebt.

NEIN

Olivia Jones, 44, ist Drag-Queen, Gastronomin und Touristenführerin in St. Pauli

Machos? Ach, das sind doch diese possierlichen Alphamännchen, die man nur noch aus dem Fernsehzirkus kennt. Gibt es so was wirklich wieder draußen in der freien Wildbahn? Nein, ich hab nix gegen Höhlenmenschen – solange Mann die Keule im Schlafzimmer schwingt. In der Küche darf es dann im 21. Jahrhundert doch auch gerne der Kochlöffel sein. Mädels, bitte: Ihr könnt ja mal wieder unten liegen – lasst euch nur nicht wieder unterkriegen. Es hat wirklich lange genug gedauert, unsere „Herren der Schöpfung“ zuzureiten. Jetzt nicht gleich wieder die Zügel abgeben, wo es endlich einmal halbwegs rund läuft. Es ist ein langer Weg von der Knechtschaft zur Emanzipation. Von der Emanzipation zur Knechtschaft sind es dagegen oft nur wenige Schritte.

Ulle Schauws, 48, ist frauenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag

Lieb doch, wen du willst! – Das finde ich selbstverständlich für alle Geschlechter. Auf die Augenhöhe kommt es an, auf gleiche Rechte, vor allem auf gleiche Würde und Respekt. Das müssen diejenigen kapieren, die sich wie Machos verhalten. Die Gegenwehr von Frauen bei der Debatte um Sexismus und #Aufschrei hat dies mehr als deutlich gezeigt. Aber wenn man sich die Entwicklung genau anschaut, wird klar, dass gerade junge Frauen und nicht wenige junge Männer keine Lust mehr haben auf eindimensionale oder traditionelle Rollenmuster. Und auch nicht auf archaische!

Chris Köver, 34, ist Mitbegründerin und Co-Chefredakteurin des Missy Magazine

Meines Wissens ist Machismo in Deutschland noch nicht illegalisiert, insofern: ja. Ob ich das will? Nein. Ich finde es einfach nicht besonders attraktiv, wenn Männer ihre eigenen Socken nicht waschen können, wenn sie Frauen wie Trophäen behandeln, um die man konkurriert und die nach erfolgreicher Eroberung entsprechend in das Eigentum übergehen. Ich finde es auch scheiße, wenn Männer aggressiv sind, sich gegenseitig mit Statussymbolen imponieren müssen oder meinen, ihre Männlichkeit mit homophoben oder frauenverachtenden Witzen unter Beweis stellen zu müssen. Das ist nicht nur anachronistisch, sondern ehrlich gesagt auch ziemlich dumm. Und dumm ist eben nicht sexy.

Norman Aretz, 36, Pädagoge, hat den Streit auf der Facebook-seite der taz kommentiert

Hinter dieser Tendenz verbirgt sich nichts anderes als in allen Bereichen, die in der Gesellschaft mehr und mehr antiaufklärerische Bemühungen zeigt. Ein Macho ist praktisch, da die Frauen sich nicht mehr selber um Entscheidungen und die Zielführung ihres Lebens kümmern müssen. Es entscheidet der dominante Mann, und solange er das scheinbar gut und richtig entscheidet, muss sich die Frau keine Sorgen mehr machen. Emanzipation ist mit Verantwortung verbunden. Die Frau muss viele Dinge in Einklang bringen, und da ist die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Arbeitswelt nur der Gipfel des Eisberges. Will man diesen Tendenzen Einhalt gebieten, muss man eben in den sauren Apfel beißen und Eigenverantwortung lehren und lernen, sowie die Gesellschaft endlich an die Emanzipation – nicht als Feindbild, sondern als die Chance, die sie ist – anpassen. In jedem Fall bringt sich eine Frau, die sich absichtlich in die Abhängigkeit und Dominanz eines Mannes begibt wie zum Beispiel in dem Buch „Shades of Grey“, selbst in eine Situation der Unmündigkeit.