Sie sind wieder da: Stadtwerke

REKOMMUNALISIERUNG Immer mehr Städte und Gemeinden gründen ihre eigenen Energieversorger

Viele Städte und Kommunen wollen ihre Versorgung, ihre Daseinsvorsorge, wieder in die eigenen Hände nehmen

VON BERNWARD JANZING

Über Jahrzehnte hinweg war es zumeist nur eine Formalie. Wenn Gemeinderäte darüber zu bestimmen hatten, wer künftig im Ort das Strom- und Gasnetz betreiben darf, dann ging der neue Konzessionsvertrag an den alten Versorger. Debatten über Alternativen gab es kaum. Inzwischen hat sich das geändert.

„Konzessionsverträge sind zu einem Thema geworden, über das in den Kommunen wieder diskutiert wird“, sagt Carsten Wagner vom Verband kommunaler Unternehmen. Denn zunehmend entdecken die Städte und Gemeinden, dass ein Rückkauf der Netze und die Gründung eigener Stadtwerke eine wirtschaftlich attraktive Option sein kann und ein eigenes Energieversorgungsunternehmen neue Gestaltungsspielräume im Sinne einer umweltorientierten Energiepolitik eröffnet. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Baden-Württemberg hat deshalb im vergangenen Jahr eine Broschüre verfasst mit dem Titel: „Konzessionsverträge – eine Chance für die Energiewende“.Bundesweit haben sich nach Zahlen des Verbands kommunaler Unternehmen in den letzten drei Jahren schon mehr als 100 Gemeinden für eine Neugründung entschieden; die Vorreiter der Rekommunalisierung haben sie inzwischen abgeschlossen. So etwa das Regionalwerk Bodensee, das von den sieben Gemeinden Eriskirch, Kressbronn, Langenargen, Meckenbeuren, Neukirch, Oberteuringen und Tettnang als kommunaler Strom- und Gasversorger gegründet wurde. Hier wurde der Großkonzern EnBW vor die Tür gesetzt.

Oft sind es Kleinstädte, die den großen Konzernen den Laufpass geben. So beschlossen vor zwei Jahren die württembergischen Gemeinden Mainhardt und Wüstenrot, der EnBW das örtliche Stromnetz abzukaufen.

Auch in Gomaringen bei Tübingen musste die EnBW ihr Netz verkaufen, diesmal an das Reutlinger Stadtwerke-Unternehmen FairEnergie.

In Südbaden haben unterdessen die Gemeinden Müllheim und Staufen gemeinsam ein Stadtwerk gegründet, in Meschede wurde die HochsauerlandEnergie aufgebaut und dabei RWE abgelöst. Auch Wolfhagen in Nordhessen gründete eigene Stadtwerke, die das Netz von Eon übernahmen. Weitere werden folgen. Bundesweit laufen nach Schätzungen des Verbandes kommunaler Unternehmen in den nächsten zwei Jahren mehr als 2.000 Verträge aus.

Ein Unternehmen, das solche Netzübernahmen für die Kommunen fachlich begleitet, ist das Büro für Energiewirtschaft und technische Planung (BET) in Aachen. Geschäftsführer Wolfgang Zander hatte schon in den 90er Jahren den Netzkauf der Stromrebellen in Schönau maßgeblich vorangebracht. Zander sieht in der Übernahme von Netzen vor allem dann Synergieeffekte, wenn die Kommune auch das Wassernetz betreibt: „Der Querverbund von Gas und Wasser ist sinnvoll“, sagt Zander, weil es aus Sicht der Installationstechnik große Überschneidungen gibt.

Gas und Strom wiederum passen gut zusammen, wenn gasbetriebene Blockheizkraftwerke vorangebracht werden sollen. Manche Stadtwerke positionieren sich inzwischen sogar als umfassende Infrastrukturgesellschaften, die neben der Versorgung der Bürger mit Energie und Wasser sowie der Entsorgung von Abwasser auch den öffentlichen Nahverkehr, die Schwimmbäder und gelegentlich sogar auch Kommunikations- und Abrechnungsdienstleistungen anbieten.

Energieexperte Zander rät kleinen Stadtwerken jedoch, unbedingt einen Partner mit ins Boot zu nehmen und diesen auch finanziell an den Stadtwerken zu beteiligen. Auch solche Unternehmen, die auf Kooperationen mit Stadtwerken aus sind, agieren längst am Markt, zum Beispiel die KommunalPartner Beteiligungsgesellschaft mit Sitz in Friedrichshafen am Bodensee; hinter ihr stehen sechs württembergische Stadtwerke.

„Viele Kommunen wollen ihre Versorgung, ihre Daseinsvorsorge, wieder in die eigene Hand nehmen“, beobachtet auch Torsten Schwarz, Geschäftsführer der KommunalPartner. Bei der Gründung neuer Kommunalunternehmen wolle man daher Unterstützung leisten: „Wir bieten Beratung und auch Beteiligungen an.“ Die Beteiligungen seien grundsätzlich „qualifizierte Minderheitsbeteiligungen“.

Ursprünglich waren die KommunalPartner vor allem zur Selbsthilfe gegründet worden. Denn als der Strommarkt Ende der 90er Jahre geöffnet wurde, mussten die Stadtwerke erfahren, dass sie viele der neuen Aufgaben allein nicht effizient bewältigen können, etwa die Abrechnungen oder den Stromeinkauf. „Die Stadtwerke erkannten, dass sie Skaleneffekte brauchen“, sagt Schwarz. Denn im Verbund lässt sich billiger Strom einkaufen und auch die Verwaltung straffen.

Trotz der Herausforderungen des Marktes sind die KommunalPartner „von der Überlegenheit kommunaler Unternehmen überzeugt“, wie Schwarz betont. Denn Stadtwerke könnten in den Gemeinden viel bewegen: „Sie sind der verlängerte Arm des Gemeinderats.“