Bomben gefährlicher als bisher vermutet

Die Sprengsätze, die im vergangenen Sommer auf Bahnhöfen in Dortmund und Koblenz gefunden wurden, hatten eine weit größere Kraft als bisher angenommen. Laut Bundeskriminalamt verhinderten nur technische Defekte verheerende Anschläge

VON CHRISTOPH GERKEN

Die beiden im Juli 2006 in den Bahnhöfen von Dortmund und Koblenz gefundenen Kofferbomben hätten deutlich mehr Menschen in den Tod reißen können als bisher angenommen. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung geht das aus einer Prüfung hervor, die das Bundeskriminalamt zur Sprengkraft der Bomben unternommen hat. Dabei bauten die Experten die Bomben detailgetreu nach. Sie machten allerdings nicht den technischen Fehler der Attentäter, der eine Detonation der Bomben verhindert hatte. Die Fachleute bescheinigten den Sprengsätzen, die die Täter nach einer Anleitung aus dem Internet zusammengesetzt hatten, eine gewaltige Wirkung.

Bislang waren Sprengstoffexperten sich einig, dass die Bomben zu dilettantisch gebaut waren, um großen Schaden anzurichten. Unisono hatten sie erklärt, das offenbar als Zünder verwendete brennende Benzingemisch wäre kaum in der Lage gewesen, die Druckgasflasche in den Schiebekoffern zum Bersten zu bringen und eine verheerende Gasexplosion auszulösen. Die genauen Komponenten der Kofferbomben waren der Öffentlichkeit allerdings aus Sicherheitsgründen vorenthalten worden. Jetzt wird deutlich, wie knapp Deutschland einem verheerenden Terroranschlag entkommen ist.

Der Ablauf des Verbrechens ist den deutschen Fahndern mittlerweile in den Grundzügen bekannt. Ihre Kenntnisse stützen sich auf Aussagen des im Libanon inhaftierten Verdächtigen Dschihad Hamad, der vor dem libanesischen Ermittlungsrichter ein Teilgeständnis abgelegt hat. Danach verfestigt sich der Eindruck, dass nicht nur fähige Bombenbauer, sondern auch sorgfältig planende, intelligent vorgehende Täter am Werk waren, die aus religiösem Eifer möglichst viele Menschen ins Jenseits befördern wollten.

Bereits im Frühjahr 2006 begannen die beiden libanesischen Studenten Youssef el-Hajdip und Dschihad Hamad, aufgestachelt von den Mohammed-Karikaturen, über einen Anschlag nachzudenken. Bei Treffen in ihren Wohnheimen in Kiel und Köln rüsteten sie sich mit Anleitungen für den Bombenbau und religiösen Hetzschriften aus dem Internet für die Tat. Mehrere Übungen mit Bombenattrappen gingen dem Anschlagsversuch am 31. Juli voraus. An jenem Tag stellten die Extremisten die beiden Kofferbomben in die Regionalzüge, die auf dem Kölner Hauptbahnhof auf ihre Abfahrt warteten. Danach begaben sie sich zum Flughafen und hoben nur Minuten nach der geplanten Explosionszeit gen Beirut ab. Sie seien fest vom Erfolg ihres Anschlag überzeugt gewesen, sagte Hamad in seiner Aussage.

Auch wenn der Tathergang mittlerweile recht klar ist, wissen die deutschen Ermittler doch wenig über den dritten Mann, der als Mittäter oder Beihelfer an den Anschlagsversuchen beteiligt sein soll. Seine Existenz gilt als sicher, nachdem die Fahnder in den Koffern eine DNA-Spur gefunden hatten, die nicht den beiden Haupttätern zugeschrieben werden kann. Sie stammt auch nicht von dem 23-jährigen Syrer und Bekannten der Attentäter, Fadi A., der am 25. August in Konstanz festgenommen und am 14. September wieder freigelassen wurde.

Neue Hinweise könnte der Laptop Hamads bringen, dessen Auswertung allerdings noch nicht von den libanesischen Behörden an die deutschen Kollegen weitergeleitet wurde. Der zweite Täter Youssef el-Hajdip, der in Deutschland in Untersuchungshaft sitzt, schweigt beharrlich. Seine Rechtsanwälte wollen die belastenden Aussagen Hamads vor Gericht angreifen.