Gesund bleiben wird teurer

SOZIALES Die Koalition beschließt endgültig ihre Gesundheitsreform. Sie verschont Firmen und bittet Versicherte zur Kasse. Schwarz-Gelb will den Systemwechsel, sagt die SPD

„Endlich aus dem Sumpf der Planwirtschaft heraus“

GESUNDHEITSMINISTER RÖSLER, FDP

AUS BERLIN GORDON REPINSKI

Eigentlich hätte es die Diskussion in der Form gar nicht gegeben, die beiden großen Gesundheitsthemen der Woche hätte die Bundesregierung am liebsten in einer einzigen Debatte abgehakt. Nur auf Antrag der Opposition wurden die Auseinandersetzungen über Einsparungen bei Arzneimitteln und die Gesundheitsfinanzierung an zwei aufeinanderfolgenden Tagen debattiert. Gesundheit wird in Zukunft teurer – vor allem für die Versicherten. Beschlossen sind nun beide Gesetze.

Am Freitag ging es um die Finanzierung des Systems; in der Außenwirkung ein besonders unattraktives Thema. Auf 15,5 Prozent sollen die Beiträge für Gesundheit steigen, Arbeitnehmer zahlen in Zukunft 8,2 statt wie zuvor 7,9 Prozent. Arbeitgeber zahlen nach wie vor weniger, ab 1. Januar 2011 sind es 7,3 Prozent. Bei diesem Wert wird der Beitrag festgeschrieben. „Vier Millionen Arbeitsplätze gibt es in der Gesundheitswirtschaft, ein Sektor, der sich entwickeln kann“, sagte der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn, „deswegen schreiben wir den Beitrag fest.“

Die Kosten, das ist nun auch beschlossene Sache, tragen in Zukunft die Versicherten. Zwar konnte sich Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) nicht mit seinem ursprünglichen Plan durchsetzen, jene Kosten für Gesundheit vollständig vom Faktor Arbeit abzukoppeln und in Form einer Kopfpauschale auf die Versicherten abzuwälzen, aber über die bestehenden Zusatzbeiträge werden in Zukunft wenigstens alle Kostensteigerungen, unabhängig von den Sozialbeiträgen, als Minikopfpauschale aufgefangen.

Da ist es politisches Glück der Koalition, dass im kommenden Jahr wegen der guten Konjunktur wohl noch keine höheren Zusatzbeiträge zu erwarten sind – die Auswirkungen der Reform sind so nicht spürbar. Dass sie kommen, bezweifelt indes nicht einmal die Koalition. „Gesundheit in einer alternden Gesellschaft wird teurer“, sagt CDU-Mann Spahn. Von Zusatzbeiträgen, die in wenigen Jahren auf 60 oder 70 Euro ansteigen könnten, wie es die Universität Köln ausgerechnet hat, spricht er freilich nicht.

Diese Argumente hat die Opposition seit Beginn des Reformprozesses immer wieder genannt. Es gab Unterschriftenaktionen gegen die Kopfpauschale, Veranstaltungen, zuletzt legten die Sozialdemokraten sogar ihr Gegenkonzept neu auf: SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles präsentierte in Berlin jüngst ihre Ideen zur fast in Vergessenheit geratenen Bürgerversicherung.

„Es geht Ihnen doch nicht um die Reform des Systems, Sie wollen den Wechsel des Systems“, sagte Nahles in der Bundestagsdebatte. Das Gesetz sei „ein erster Schritt in die Privatisierung der gesetzlichen Krankenkasse“.

Der angegriffene Minister selbst konterte, Nahles Ideen „bedeuten mehr Belastungen bei weniger Leistungen“. Die Regierung, so Rösler, „will aus dem Sumpf der Planwirtschaft endlich heraus“. Letztlich sei das Gesetz „unser Beitrag für Wachstum und Beschäftigung“.

Für den Minister endete mit dem Beschluss ein zermürbender Reformprozess. Immer wieder musste er sich im Laufe der Monate zahlreicher Querschüsse aus der CSU erwehren. Der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder gab meist zeitgleich mit Rösler Pressekonferenzen. Wenigstens das hat mit dieser Debatte endgültig ein Ende gefunden.