Halbierte Belegschaft

Das spanische Staatsfernsehen steht vor seinem 50. Geburtstag – und einer beispiellosen Entlassungswelle

MADRID taz ■ Das spanische staatliche Fernsehen Televisión Española (TVE) wird am Samstag 50 Jahre alt. Doch zum Feiern ist niemandem so richtig zumute. Der Jahrestag fällt mit einer Kahlschlagsanierung zusammen, wie sie wohl kaum ein Sender je gesehen hat. 44,5 Prozent der 9.366 Mitarbeiter werden entlassen. Der Stellenabbau war notwendig geworden, da TVE mit 7,6 Milliarden Euro in der Kreide steht.

Doch die Schulden sind nicht selbst verursacht. Jahrzehntelang haben die Regierungen, egal ob sozialistisch oder konservativ, die Anstalt gezwungen, sich bei den Banken zu verschulden. Der Staat übernahm die Bürgschaft und konnte so bei Überprüfung der Maastricht-Kriterien mit einem niedrigen Schuldenniveau glänzen. Dieses System hat TVE jetzt das Genick gebrochen.

Ab dem 1. Januar 2007 wird TVE in eine neue Aktiengesellschaft überführt, bei der der Staat alleiniger Anteilseigner ist. Die 4.150 Arbeiter, die per Vorruhestand in den nächsten zwei Jahren nach Hause geschickt werden, bleiben formell im alten Unternehmen, das auch die Schulden der Anstalt übernimmt. Die neue TVE soll künftig Staatssubventionen erhalten. „Wie viel, das steht noch nicht fest“, berichtet Betriebsratssprecher Marcel Camacho.

Die wichtigste Neuerung im neuen TVE: Künftig wird der Direktor der Anstalt vom Parlament gewählt. Vorgeschlagen werden die Kandidaten vom Aufsichtsrat selbst. Das soll zu mehr Unabhängigkeit führen. Bisher bestimmte die Regierung den Direktor. Betriebsrat, die Redaktion und ein Expertenkomitee, das über mögliche Strukturveränderungen brütete, wären gerne noch weiter gegangen. Ihnen schwebte ein Wahlsystem vor, in dem die Zivilgesellschaft einbezogen werden sollte. Doch das war den Politikern zu viel der Unabhängigkeit. Künftig wird der Direktor mit einfacher Parlamentsmehrheit gewählt – was heißt, dass das Amt weiterhin sehr kurz an die Regierung angebunden sein wird.

Was den Betriebsrat und viele Redakteure Sorgen macht, ist die neue, sehr schmale Personaldecke. „Die künftige Mitarbeiterstruktur lässt kaum noch eigene Produktionen zu“, sagt Camacho. Mit Ausnahme einiger Kinderprogramme und den Nachrichten wird der Rest von freien Produktionsgesellschaften erstellt. „Besonders davon betroffen ist die Prime Time, dort, wo Geld zu verdienen ist“, weiß Camacho.

Was für ihn am schwersten wiegt: Die Vorruhestandsregelung, die alle Mitarbeiter über 50 Jahre betrifft, dünnt Wissen und Berufserfahrung aus. „Es sind genau diese Kollegen, die wissen, wie man gutes Fernsehen macht“, sagt Camacho. Wer das TVE-Programm in den letzten Jahren verfolgt hat, weiß, dass dies längst nicht mehr gefragt ist. REINER WANDLER