Guerillakrieg gegen Nachrichtenportale

INTERNET Für die Aktivisten der „Friedensbewegung“ will eine „internationale Finanz-Oligarchie“ einen Weltkrieg gegen Russland entfesseln – unterstützt von einer gleichgeschalteten „Medien-Mafia“

BERLIN taz | Eine „Friedensbewegung 2014“ hat im Internet zum „Guerillakrieg“ gegen die deutschen „Propagandamedien“ aufgerufen. Seit Erscheinen eines entsprechenden Aufrufs auf diversen Internetseiten (s. u.) vor einer Woche werden nahezu alle großen Nachrichtenportale auf ihren Onlineauftritten und Facebook-Seiten von Kommentaren überflutet – darunter auch die taz. Einige kritische Artikel, die sich seither – auch auf taz.de – mit der Bewegung auseinandersetzten, befeuerten die Autoren offenbar noch zusätzlich.

Zudem versuchen „Friedensbewegungs“-Aktivisten unter dem Label „Montagsdemos“ auf der Straße Gehör zu finden (siehe Text oben). Seit sechs Wochen kommt es zu Wochenbeginn in München, Köln, Berlin und etwa 17 anderen Städten zu Kundgebungen mit zwischen einigen Dutzend und über eintausend TeilnehmerInnen. Sie sind getrieben von der Vorstellung, dass eine internationale Finanzoligarchie einen dritten Weltkrieg gegen Russland entfesseln will. Unterstützung dafür komme angeblich von einer gleichgeschalteten „Medien-Mafia“, die deshalb die „Friedensbewegung“ systematisch ignoriere.

„Ich habe Anfang des Jahres die schlimmsten Sachen verstanden – deswegen stehen wir jetzt hier“, sagte der Initiator der Bewegung, Lars Mährholz, auf der Kundgebung am Montagabend in Berlin (s. Bericht oben). 14 Tage zuvor hatte der öffentlich bislang Unbekannte am Rande der Kundgebung dem TV-Sender „Voice of Russia“ seine zentrale Botschaft mitgeteilt: „Woran alle Kriege in der Geschichte in den letzten 100 Jahren“ liegen, fragte er, um sogleich die Antwort parat zu haben. Man erkennt, dass „die amerikanische Federal Reserve, die amerikanische Notenbank seit über hundert Jahren die Fäden auf diesem Planeten zieht“.

Die Exgrüne Jutta Ditfurth, die sich seit Wochen im Internet an Mährholz und seinen Mitstreitern abarbeitet, kritisierte „Geschichtsrevisionismus“ und eine „unglaublich brutale Verharmlosung der Schoah“. Tatsächlich ist die Entcodierung der Thesen der „Friedensbewegung 2014“ nicht nur in rechten Kreisen durchaus bekannt. Sie lautete: Das jüdische Finanzkapital ist die Ursache allen Übels der Welt.

Sich selbst beschreibt der 32-jährige Mährholz als „weder rechts noch links“, was die halbe Wahrheit ist. Auch wenn er nicht der traditionellen Rechten entstammt: Seine Thesen sind für braune Verschwörungstheoretiker anschlussfähig. Ein auf Mährholz’ Facebook-Seite veröffentlichtes Bild, das die Familie Rothschild als Monster zeigt, steht dafür ebenso wie ein von ihm geteiltes Video des Münchner Stadtrats der „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ und Berater der sächsischen NPD-Landtagsfraktion Karl Richter.

Mit Mährholz verbündet haben sich weitere prominente Akteure der verschwörungstheoretischen Szene – was Verbreitung und Resonanz auf dessen Initiative erklärt. So bewirbt Ken Jebsen bei seinen über 100.000 Facebook-„Freunden“ die Bewegung und spricht bei deren Kundgebungen. Der ehemalige Moderator des Rundfunksenders RBB wurde gefeuert, weil er sich zur vermeintlichen Verwendung des Holocaust zu PR-Zwecken äußerte und die Anschläge vom 11. September 2001 bezweifelte.

Meldungen der Seite „Anonymous Kollektiv“ lassen sich 400.000 Menschen auf Facebook anzeigen. Mit den Internet-Aktivisten von „Anonymous“ hat das nichts gemein. Stattdessen wird dort ein Mix aus rechten Phrasen, Verschwörungstheorien und Propagandavideos verbreitet. Auch der Aufruf gegen die deutschen Medien fand auf diesem Weg rasante Verbreitung.

Mit von der Partie ist auch Jürgen Elsässer, ehemals linker Journalist, der inzwischen mit einem von ihm herausgegeben Monatsmagazin Compact die Trennung von linken und rechten Positionen überwinden will. Dass er damit vor allem nach rechts anschlussfähig ist, zeigte die Gästeliste einer Konferenz, die er vergangenes Jahr in Leipzig veranstaltete: Als Stars angekündigt waren u. a. Thilo Sarrazin und Eva Herman.

Dass bei den Kundgebungen offener Widerspruch und Gegendemonstranten bisher ausblieben, könnte daran liegen, dass diese bekannteren Gesichter der deutschen Rechten bislang nicht auf ihnen auftauchten und es schwierig erscheinen mag, sich gegen eine „Friedensbewegung“ zur Wehr zu setzen. Darüber hinaus wehren sich Mährholz und seine Mitstreiter mit aller Kraft gegen die Zuschreibung „rechts“.

Die linke, antimilitaristische „Kooperation für den Frieden“ grenzte sich dagegen scharf von der neuen Bewegung ab: „Sage keiner, er habe es nicht gewusst“, hieß es mahnend im Schlusssatz ihrer Stellungnahme. ERIK PETER