„Lobbyismus ist Teil der Demokratie“

Lobbyisten beeinflussen Politik und öffentliche Meinung. Daniel Dettling erklärt sein Business

■ 39, ehemaliger Chef der PR-Agentur berlinpolis, die 2009 wegen verdeckter Öffentlichkeitsarbeit für die Bahnprivatisierung in die Schlagzeilen kam. Danach gründete der Politikwissenschaftler die „Denkfabrik“ re:publik. Für die taz nahm er zum ersten Mal ein Megafon in die Hand. Foto: Laura Krispin

Was macht man als Lobbyist den ganzen Tag?

Daniel Dettling: Ich versuche, für gesellschaftliche Themen mehr Akzeptanz bei Bürgern, Journalisten und in der Politik zu erreichen.

Und wie funktioniert das praktisch?

Über Veranstaltungen, Publikationen, Pressemitteilungen, Umfragen. Aber auch über neue Medien wie Twitter und Facebook. Also das ganze Portfolio an Meinungsinstrumenten, auch mit guten Studien.

Was ist denn eine gute Studie?

Eine gute Studie bemisst sich am Erfolg. Jede Studie enthält bereits in der Entstehung eine Wertung. Wenn die Bundesregierung eine Studie zu Atomlaufzeiten in Auftrag gibt, ist doch klar, dass da bestimmte Szenarien nicht berücksichtigt werden.

Wie würden Sie eine Meinung möglichst schnell verbreiten?

Die Tagespresse ist der beste Adressat. Vor allem, wenn andere Medien das dann aufgreifen und daraus eine Medienwelle wird. Ein großes Blatt kann schon den Anstoß geben.

Glauben Sie, was in den Zeitungen steht?

Das ist keine Glaubensfrage. Zeitungen sind nicht die Bibel. Fakten werden auch von den Journalisten interpretiert und daraus entsteht dann Meinung.

Sie haben mal geschrieben, Politik lebe von Mythen und Erzählungen. Machen Sie diese Mythen?

Sie können einen neuen Mythos definieren und im Wettbewerb der Ideen anbieten. Ich glaube daran, dass man Mentalitäten verändern kann und muss.

Zum Beispiel?

Die Deutschen glauben beispielsweise nicht, dass Atomenergie zu Nachhaltigkeit passt. Das Problem ist, dass die Energiekonzerne selbst der falsche Absender einer Story der Nachhaltigkeit sind. Sie betrachten die Zivilgesellschaft als Gegner.

Ihre Agentur berlinpolis wurde im Mai aufgelöst. Ihre neue Firma heißt re:publik. Ein nahtloser Übergang?

Es war ein klarer Cut. Wir haben neue Gesellschafter und sind transparent.

Früher haben Sie verdeckte PR für die Bahnprivatisierung betrieben.

Es war kein Geheimnis, dass wir in der Phase der sogenannten verdeckten PR Lobbyarbeit für die Deutsche Bahn gemacht haben. Unter den Beiträgen fehlte halt der Vermerk „gefördert von“. Ich hätte gerne die Unterstützung offen kommuniziert, aber das war nicht gewollt. Man bekommt oft wesentlich mehr Geld von Unternehmen, wenn man intransparent agiert. Je heikler das Thema, desto teurer die PR.

Kann jedes Thema eine eigene PR-Agentur haben?

Erlaubt ist erst mal alles, was legal ist.

Gilt das auch für Waffenkonzerne?

Gerade Rüstungskonzerne brauchen Lobbyisten. Alles andere wäre naiv. Lobbyismus ist Teil der Demokratie. Es kann gar nicht genug Meinungskämpfer geben.

Wo liegt Ihre persönliche ethische Grenze?

Streubomben, Zigarettenwerbung für Kinder, auch Rüstungsexporte in diktatorische Staaten.

Die öffentliche Meinung beeinflussen – wollten Sie das schon immer machen?

Ja. Wer eine starke Meinung hat, sollte Politikberater werden.

INTERVIEW: MAY NAOMI BLANK
WOLFGANG GRÜNDINGER, MAX LANGE