Billiger leben im Pflegeheim

Das Sozialamt Spandau hat 280.000 Euro gespart, indem es die Hilfeleistungen für Behinderte kürzte. Deren Landesbeauftragter spricht von Verantwortungslosigkeit

Es müsse überprüft werden, ob die Leistungen für Behinderte, die bisher intensiv zu Hause betreut wurden, „zukünftig stationär erbracht werden können“. Sätze wie dieser bringen Martin Marquard, Berliner Landesbeauftragter für Behinderte, auf die Palme. Übersetzt heißen sie: kostengünstige Heimeinweisung statt teurer Hausbesuche. Solche Vorgaben finden sich zuhauf in einem Maßnahmeplan des Spandauer Sozialamts für den Umgang mit Behinderten.

Bereits im September vergangenen Jahres hatte die Behörde den Katalog erarbeitet. Ziel war es, „überflüssige“ Leistungen für Behinderte zu tilgen, um Gelder zu sparen. Mit rabiaten Mitteln: Auch bisher finanzierte Freizeitaktivitäten behinderter Menschen sollten auf den Prüfstand, psychosoziale Betreuungen und Einzelfallhilfen gekürzt, Neuanträge über zukünftige Kostenübernahmen auch mal abgelehnt werden. Dass das Widerspruch bei einigen Betroffenen provozieren könnte, schien klar. Darum sollten die Kürzungen vorrangig bei den Behinderten ausprobiert werden, bei denen „Veränderungen am wahrscheinlichsten herbeigeführt werden können“. Sprich: Es wird erst mal dort gespart, wo kein Protest zu erwarten ist.

Für den Behindertenbeauftragten Marquard eine deutliche Provokation: „Das ist ein Papier, das von vorne bis hinten gegen die betroffenen Menschen gerichtet ist. Die Formulierungen zielen nur auf Einsparungen, ohne den konkreten Fall vor sich zu haben. Das geht in Richtung Willkür.“ Bereits nach Erscheinen des Maßnahmeplans hatte Marquard beim Spandauer Sozialamt schriftlich Protest eingelegt – ohne Erfolg. Vielleicht wurde mancher Punkt missverständlich formuliert, hieß es, im Kern sei der Katalog aber richtig: Die Kürzungen beträfen nur überflüssige Leistungen.

Dazu steht die Spandauer Behörde noch heute. „Es darf bei Einsparungen keine Tabuzonen geben“, erklärt Bezirksstadtrat Axel Hedergott. „Wir behalten uns doch lediglich vor, jeden Fall ergebnisoffen zu prüfen.“

Rund 1.200 Behinderte mussten seit September 2005 ihre Hilfeleistungen überprüfen lassen, 280.000 Euro wurden so bisher gespart. Zusammen mit den Betroffenen habe man viele überflüssige Hilfsdienste eingespart, so Hedergott. Manch einer habe anschließend sogar mehr gezahlt bekommen als zuvor.

Beschwerden gegenüber dem Sozialamt vonseiten der Behinderten sind in der Tat seitdem nicht gestiegen. Marquard kritisiert dennoch die rigiden Vorgaben: „So ein Schreiben verunsichert doch die Betroffenen. Das ist verantwortungslos.“ Dass die Maßnahmen möglicherweise nicht so hart umgesetzt wurden, sieht Marquard auch seinem Protest geschuldet: „Vielleicht konnten wir die Mitarbeiter etwas sensibilisieren.“ Konrad Litschko