Beim Wullacken niemals mit dem Mottek wackeln

„Große Ente“ als feierlicher Höhepunkt der diesjährigen Frankfurter Buchmesse: Die Sieger im großen Wahrheit-Unterbring-Wettbewerb 2006

Je nüchterner und sachlicher das Umfeld ist, umso näher rückt der Preis

Auch in diesem Jahr hat die Wahrheit wieder einen Preis ausgelobt für Journalisten, Redakteure oder Publizisten, die einen von der Wahrheit ausgewählten Satz an prominenter Stelle in einer Zeitung, einer Zeitschrift oder einem Magazin platzieren sollten. Der so genannte große Wahrheit-Unterbring-Wettbewerb hat inzwischen schon eine kleine Tradition. So veranstaltete die Wahrheit den Wettbewerb erstmals im Jahr 2000, seinerzeit hieß der Satz: „Wer Jieper hat, muss schmackofatzen.“ Und im Jahr 2004 lautete der Sinnspruch, der untergebracht werden musste: „Wer kalift, muss mutaboren.“ Zum Unterbring-Wettbewerb gehört auch ein Preis: eine Flasche Brandy der Marke Gran Duque d’Alba, die von der Wahrheit stets auf der Frankfurter Buchmesse dem glücklichen Gewinner feierlich überreicht wird. Die „große Ente“, wie der Gran Duque im Wahrheit-Ressort genannt wird, gewann beide Male bisher das FAZ-Ressort „Deutschland und die Welt“. Das allerdings wird beim diesjährigen Wettbewerb anders sein.

Diesmal sollte der Satz „Beim Wullacken niemals mit dem Mottek wackeln“ in einen Text hineinredigiert werden. Die Wahrheit hatte in den vergangenen Monaten bekanntlich einige Probleme mit der polnischen Regierung und wollte so zeigen, dass sie die Sprache des Volkes spricht. Bei der Wullacken-Weisheit handelte es sich, wie wir behaupteten, um eine alte polnische Bergarbeiterweisheit aus dem Ruhrgebiet. Zwar hatte die Wahrheit diese Weisheit kurzerhand erfunden, dennoch lässt sie sich übersetzen und bedeutet soviel wie: „Beim Arbeiten über Kopf muss man immer den Hammer fest in der Hand halten.“ Weil er einem sonst nämlich auf die Nase fällt und selbige bricht.

Draußen, in den Redaktionen des Landes, hatten die Kollegen offenbar viel Spaß mit dem Wullacken-Satz, sie gaben sich jedenfalls große Mühe, ihn an prominenter Stelle unterzubringen. Rund drei Dutzend Beiträge sind in der Wahrheit-Redaktion eingegangen. Vor allem kleinere Publikationen haben beim diesjährigen Unterbring-Wettbewerb Großes vollbracht und sollen deshalb an dieser Stelle einmal ausdrücklich gelobt werden, weil sie sich verdient gemacht haben um die angeblich so humorfreie Presselandschaft in Deutschland. In Lokalzeitungen, Stadtmagazinen, Alternativblättchen und auch Wissenschaftspublikationen blüht immer noch der abseitige Witz. Stellvertretend für viele andere seien hier kurz hervorgehoben die Rhein-Zeitung, Neue Westfälische, die Hildesheimer Allgemeine Zeitung, die Rügener Zeitung, der Kreisbote – Wochenzeitung für Kaufbeuren, Marktoberdorf, Buchloe und Landgemeinden, die Gemeindenachrichten Grafenau, das Programm-Magazin In München, das Stuttgarter Stadt-Magazin lift, die Forschungsschrift Hauswirtschaft und Wissenschaft sowie das Anästhesie- und Intensivpflege-Magazin intensiv.

Doch kommen wir zunächst zu den Kollegen und Medien, die den Preis ganz sicher nicht gewonnen haben wie zum Beispiel Karin Ceballos Betancur von der Frankfurter Rundschau, die den schönen Satz gleich fünfmal in ihre Kolumne hineingeschrieben hat. Vermutlich hat sie geglaubt, je öfter sie den Wullacken-Satz erwähnt, desto größer werden ihre Chancen. Da hat sie leider etwas Falsches gedacht und gezeigt, dass sie gar nichts verstanden hat.

Auch auf die große Ente verzichten muss Klaus Schamberger, der den Wullacken-Satz zwar schön fett über seine Kolumne in der Abendzeitung Nürnberg setzte, aber dann mit seinem Text über einen Achterbahn-Weltrekord von den Zentrifugalkräften des Schreibens aus der Bahn geworfen wurde.

Überhaupt gar nicht geht, was der grüne Politiker Benedikt Striepens aus Werne in Westfalen versucht hat. Der stellvertretende Bürgermeister Striepens nominierte den Redakteur Klaus Brüggemann vom Westfälischen Anzeiger, weil der ihn in einem Artikel mit dem Wullacken-Satz zitierte. Hier zeigt sich eine geradezu unheimliche Nähe zwischen Politik und Presse, die eine Flasche Gran Duque d’Alba nur noch befördern würde.

Grundsätzlich ist es, um hier mal ein Insider-Geheimnis auszuplaudern, sehr empfehlenswert, keine Satire zu schreiben, und den Satz dort einzubauen, wenn man den großen Wahrheit-Unterbring-Wettbewerb gewinnen will. Je nüchterner und sachlicher das Umfeld ist, an dem sich der Sinnspruch wiederfindet, desto näher rückt der Preis dem Unterbringer.

Deshalb haben wir uns in diesem Jahr auch für ein Sachbuch entschieden, das den Wullacken-Satz präsentiert. Der Sieger des großen Wahrheit-Unterbring-Wettbewerbs 2006 ist der Umschau-Verlag. Dort ist soeben ein wunderbares Buch entschienen, das den schlichten Titel trägt: „Kartoffel“. Der farben- und fotoreiche Band enthält nicht nur Geschichten und Rezepte zur Kartoffel, sondern eben auch den Wullacken-Satz sowie Hinweise auf die „Kartoffel-Affäre“, die Wahrheit-Autor Peter Köhler mit seiner Satire über „Polens neue Kartoffel“ im Sommer anstieß. Apropos anstoßen: Die Flasche Gran Duque d’Alba wurde der Verlags-Lektorin Angela Thomaschik am vergangenen Samstag während des Wahrheitklub-Treffens auf der Frankfurter Buchmesse überreicht. Frau Thomaschik wird den feinen Tropfen dann sicher gemeinsam mit ihrer Kartoffel-Kollegin Ilka Grunenberg verköstigen.

Die Wahrheit gratuliert noch einmal ganz herzlich den Siegerinnen und fordert die Kollegen auf, sich im nächsten Jahr wieder genauso viel Mühe zu geben. Dann klappt es irgendwann auch mit dem Gewinn im Wahrheit-Unterbring-Wettbewerb und der großen Ente. MICHAEL RINGEL