Handzahme Rivalen

AUFBRUCH Beim 2:0-Derbyerfolg des VfB Stuttgart gegen den SC Freiburg geht es erstaunlich friedfertig zu. Recht spät besinnt sich das Team von Huub Stevens darauf, den Gegner dann doch etwas zu attackieren

Ehe sich Christian Streich in den Ragemodus hätte steigern können, war die Partie vorbei

AUS STUTTGART JÜRGEN LÖHLE

Der Vulkan war brav, ganz brav. Christian Streich trug in der Coachingzone sein Friedensgesicht spazieren, warf artig bei ihm gestrandete Spielgeräte den Balljungen zu oder tätschelte dem VfB-Verteidiger Gotoku Sakai vor einem Einwurf freundlich den Hinterkopf. Was war das denn?

Auf dem Rasen lief das tagelang hochgejazzte Abstiegsderby gegen den VfB Stuttgart, Freiburg konnte mit einem Sieg acht Punkte zwischen sich und die Schwaben schieben, und der hocheruptive Freiburger Übungsleiter lief herum, als würde er für Beruhigungspillen Werbung machen. Er wolle „die Hände unten lassen“, hatte Streich vor dem Spiel und nach seiner Springteufel-Nummer zu Hause gegen Nürnberg angekündigt. Das tat er dann auch.

Vielleicht lag es ja auch einfach nur an der Qualität des Spiels, die dem hochemotionalen Streich die Frühjahrsmüdigkeit in die Knochen trieb. Eine Stunde lang passierte in der ausverkauften Stuttgarter Arena schließlich so gut wie nichts. Abstiegskampf? Männer mit Körpersprache, die um jeden Meter kämpfen? Davon war nun rein gar nichts zu sehen. Stuttgart schob sich die Bälle zu, hatte keine prickelnde Idee und vorne einen Vedad Ibisevic im Sturm, der völlig neben sich stand. Freiburg war das recht, ein Punkt hätte ihnen locker gereicht, deshalb spielten sie einfach nicht mit. Und so konnte sich Herr Streich gar nicht aufregen, weil es nichts zum Aufregen gab. Da änderte sich freilich nach einer Stunde. Stuttgart Trainer Huub Stevens nahm Ibisevic und den nach seiner langen Verletzung noch nicht komplett fitten Daniel Didavi vom Platz und brachte den jungen Timo Werner und Alexandru Maxim. Und damit kam doch noch etwas Leben ins Spiel. Maxim gelang nach einer starken Vorarbeit von Ibrahima Traore das 1:0, Werner hämmerte kurz danach den Ball an die Latte, Martin Harnik stupfte eine Minute vor Schluss einen Eckball über die Linie. Ehe sich Christian Streich in den Ragemodus hätte steigern können, war die Partie vorbei, Stuttgart gewann 2:0.

Für die Schwaben war dieser Sieg eine derart brutale Notwendigkeit gewesen, dass man sich wunderte, wie entspannt das ganze Spiel doch verlief. Hätte der VfB verloren, wäre das angesichts der noch fünf Spiele und das dreimal auswärts in Mönchengladbach, Hannover und zum Finale bei den Bayern der gefühlte Abstieg gewesen. Jetzt habe man zumindest einen „kleinen Schritt“ in die andere Richtung gemacht, wie Trainer Stevens sagte. Der handzahme Streich nickte und sprach: „Der VfB war besser.“

So wird dieses Spiel als eines der freundlichsten in die Derby-Gesichte eingehen. Da gab es aber auch schon andere: Vor einem Jahr schoss der VfB den Sportclub im heimischen Stadion im Halbfinale aus dem DfB-Pokal. Da ging es ganz anders zu. Eigentlich wollte sich der SC revanchieren, die Chance war ja da – nach den Leistungen der vergangenen Wochen war ausnahmsweise mal nicht der VfB Favorit, im Gegenteil. Das Selbstbewusstsein der Landeshauptstädter war angeknackst, aber Freiburg konnte das nicht nutzen, wie so oft. Von den 15 Heimspielen gegen Freiburg hat der VfB gerade mal zwei verloren. Die eine Niederlage verhalf den Freiburgern in ihrer ersten Bundesligasaison 1993/94 zum Klassenerhalt. Jetzt könnte der Stuttgarter Sieg der Auftakt einer umgekehrten Story sein.