LESERINNENBRIEFE
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Die Welt ist bunt

■ betr.: „Mesut Özil ist deutsch, ich bin es nicht“ von Kübra Yücel, taz vom 13. 10. 10

Liebe Kübra, dein Artikel hat mir so richtig aus dem Herzen gesprochen. Ich werde ihn mit meinen SchülerInnen im Ethikunterricht diskutieren, genauso wie ich Ausschnitte aus Sarrazins Buch besprochen habe und den Appell „Nein zur Ausgrenzung“, der ebenfalls in der taz veröffentlicht wurde (Danke!). Zum Glück habe ich mehrheitlich SchülerInnen mit nichtdeutschem kulturellen Hintergrund, denn sonst würde ich vermutlich die Diskussionen kaum ertragen. Ich selbst trage selten ein Kopftuch, es sei denn als Schutz vor zu viel Sonne, und habe vermutlich nur deutsche Vorfahren. Aber deutsch gefühlt habe ich mich noch nie. Was ist das denn auch? Ich trinke gerne deutschen Rotwein, aber auch chinesisches Bier oder esse indisch, aber genauso gerne türkisch und griechisch, immer vegetarisch. Ich mag arabische Musik, aber auch deutsche Klassik. Und afrikanischer Schmuck oder Kleider sind farbenprächtig und toll. Die Welt ist bunt und ich finde es sehr schön, diese bunte Welt auch bei mir um die Ecke zu haben. Schade, dass so viele Menschen jemanden brauchen, auf dem sie herumtrampeln und dem sie vorschreiben können, wie er zu leben hat. Denn solange sie noch nach unten treten können, scheinen sie die Tritte von oben nicht so sehr zu spüren.

Ich frage übrigens oft SchülerInnen von mir, woher sie oder ihre Eltern kommen, einfach, weil ich das interessant und spannend finde, nicht weil ich sie nicht als Deutsche sehe. Wenn sie einen deutschen Pass haben, dann finde ich das gut. Denn sie sollen mitentscheiden, welche Politiker bei uns zukünftig das Sagen haben, ob die Sarrazins und die Seehofers oder vielleicht endlich mal andere.

ULRIKE KARL-RAU, Nürnberg

Frischluft nach dem Mief

■ betr.: „Bewaffnete Zungen“ von Ilja Trojanow, „Mesut Özil ist deutsch, ich bin es nicht“ (K. Yücel), taz vom 13. 10. 10

Die erfrischenden Beiträge von Ilija Trojanow und Kübra Yücel zur unsäglichen, anachronistischen Sarrazin-Debatte sorgen für etwas Frischluft nach dem Mief, den zahllose Dummschwätzer in Bild und auf allen Kanälen verbreiten, nachdem der neue deutsche Stammtisch nach den Juden, die jetzt tabu sind, und den Kommunisten, die nicht mehr zur Verfügung stehen, nun die Muslime als neue Buhmänner gefunden hat. MARC HEINECKE, Arnum

„Und dann hat er gelernt“

■ „Unter Kartoffeln“ von Yasemin Shooman undEvelin Lubig-Fohsel, taz vom 8. 10. 10

Herzlichen Danke für die klaren Worte. Da wird in wenigen Sätzen klar, wie es Sebastian und Serkan in der Schule geht. Diesen alltäglichen Rassismus von Lehrerinnen gegenüber Kindern aus anderen Kulturen habe ich 2008 in einem Leserbrief an einigen kleinen Beispielen beschrieben, die ich in der Schule erlebt habe. Die Zeitschrift der GEW Niedersachsen hat mir auf diesen Leserbrief geantwortet, ich möge ihn doch entschärfen, da sich sonst Kolleginnen zu sehr angegriffen fühlen könnten. Mir fehlt in der ganzen Debatte um Migrantenkinder aber genau dieser Blick auf ihre alltäglichen Erfahrungen mit Abwertung und Demütigung in der Schule – und zwar durch Lehrer und Lehrerinnen. Die oft überfordert sind – das war ich auch! Und habe trotzdem die Erfahrung gemacht, dass sich viele Konflikte, auch mit den Eltern dieser Kinder, lösen lassen durch einen grundlegenden Respekt ihnen gegenüber. In unserer Regionalzeitung beklagt sich eine Lehrerin, dass ihr 14-jähriger Schüler ihr auf die Frage nach seinem Berufswunsch mit „Dealer“ geantwortet habe. Empörung über seine „Kultur“ – kein Gedanke daran, was dieser Schüler in acht Jahren deutscher Schule gelernt hat. Als er in die Schule kam, hat er auf die Frage, was er werden will, wahrscheinlich noch mit „Arzt“ geantwortet. Und dann hat er gelernt.

Also noch mal: Herzlichen Dank an zwei „GEW-Frauen“, die bereit sind hinzuschauen! INGRID LANGE, Northeim