Maulkorb vom Minister

Die von Wolfgang Schäuble initiierte Islam-Konferenz droht zum Ausgrenzungsgipfel zu werden. Und Streit gibt es schon jetzt

AUS BERLIN CIGDEM AKYOL

Kurze zwei Stunden sind vorgesehen. Am Mittwoch wird auf Initiative des Innenministers Wolfgang Schäuble (CDU) die erste „Deutsche Islam-Konferenz“ in Berlin zusammentreten. Jahrzehntelang wurde in der deutschen Politik über die Muslime gesprochen. Jetzt will man man mit ihnen reden – und sie untereinander. Die Konferenz in den Räumen des Schlosses Charlottenburg soll der Auftakt zu einem langfristigen Dialog sein.

Zunächst aber herrscht Zeitmangel. Dabei soll es um kontroverse Themen wie die Teilnahme von Mädchen am Schwimmunterricht, Klassenfahrten und Sexualerziehung an Schulen gehen. Schäuble wünscht sich auch einen repräsentativen Ansprechpartner, der in Deutschland immer noch fehlt. Denn die Muslime sind nicht einheitlich organisiert. Die eine Stimme des Islams gibt es nicht.

Dabei wäre einiges zentral zu regeln: Vor allem die hiesige Ausbildung von Imamen soll geordnet werden. Die Mehrheit der 2.500 Moscheevereine muss seine Prediger einfliegen lassen. Es sind Geistliche, die meist kaum ein Wort Deutsch sprechen. Niemand weiß, ob diese Imame eine Parallelgesellschaft predigen. Da können Verfassungsschützer unendlich lauschen – was sie nicht verstehen, können sie nicht verhindern. „Wenn wir den Kampf der Kulturen vermeiden wollen, dann müssen wir unterschiedliche Kulturen und Religionen kompatibel machen mit der Universalität von Menschenrechten und Toleranz“, beschrieb Schäuble kürzlich seine Idee eines „deutschen Islams“.

Die zwei Stunden für einen Dialog hat das Innenministerium minutiös eingeteilt. Auf der einen Seite stehen fünfzehn Vertreter von Bund und Ländern. Schäuble als Leiter der Zusammenkunft, der bayerische Innenminister Günter Beckstein (CSU) und der Berliner Innensenator Erhart Körting (SPD). Für die muslimische Seite werden Vertreter der fünf großen Dachverbände anwesend sein. Neben diesen sind auch zehn Einzelpersonen geladen. Dazu gehören die Frauenrechtlerin und Anwältin Seyran Ateș, die Islamkritikerin Neclan Kelek und Ezhar Cezairli, Gründungsmitglieder einer Gruppe säkularer Muslime. Ebenfalls als Vertreter der Zivilgesellschaft dürfen der Europaabgeordnete Badr Mohammed und der Schriftsteller Feridun Zaimoglu mitdiskutieren.

Alle Geladenen sind an diesem Mittwoch gleich – dennoch sind manche gleicher. Lediglich zwei Vertreter der Dachverbände werden die Gelegenheit haben, eine Rede zu halten Dem Generalsekretär der Ditib, Mehmet Yildirim, und dem Vorsitzenden des Zentralrats, Ayyub Axel Köhler, wurden fünf Minuten eingeräumt. Seit Januar wird die Konferenz geplant. Unklar bleibt, warum sie keine vier oder fünf Stunden dauern konnte. Dann wären für alle Anwesenden zumindest fünf Minuten drin. Der strenge Zeitplan stößt folgerichtig auf Kritik.

„Die diskriminierende Politik der Türkei wird hier vom Innenministerium übernommen“, beklagt sich Ali Toprak. Der Sprecher der alevitischen Gemeinde versteht nicht, warum er keine fünf Minuten Redezeit bekommt. Er fragt sich, warum die als liberal geltenden Aleviten hinter den konservativen Islamvertretern von Ditib und vom Zentralrat anstehen müssen.

Stattdessen darf er nur an der „Aussprache“ – wie es auf der Einladung heißt – teilnehmen. Insgesamt 60 Minuten soll diese dauern. Bei 30 Teilnehmern muss sich also jeder mit seinem Vortrag beeilen. Konservativen Muslimen wie dem Generalsekretär des Zentralrats Aiman Mazyek ist nicht wohl bei dem Gedanken, sich mit Frauenrechtlerinnen und Islamkritikern an einen Tisch zu setzen. Die Gäste, die die Zivilgesellschaft vertreten sollen, bereiten dem Zentralrat Mayzek zufolge heftige Bauchschmerzen. „Wir verstehen nicht, warum Islam-Kritiker eingeladen werden“, so Mazyek. „Bei der Neugestaltung der katholischen Kirche werden schließlich auch nicht Hans Küng oder Eugen Drewermann nach ihrer Meinung gefragt.“ Deswegen sei es fraglich, ob der Zentralrat nach der Auftaktveranstaltung noch am weiteren Austausch teilnehmen werde. Für unbedenklich hält Mazyek dagegen die Präsenz des Islamrats. Dabei vertritt dieser die Glaubensgemeinschaft Milli Görus, welche vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Bei einer Razzia in einer Milli-Görus-Moschee 2004 fanden Ermittler antisemitische Bücher wie Henry Fords „Der internationale Jude“.

Die Tolerierung von Milli Görus ist da ein Zeichen diplomatischen Leisetretens der Bundesregierung. Zudem droht der Islam-Gipfel zu einem Ausgrenzungsgipfel zu werden: Von den zehn Vertretern der nicht organisierten Muslime dürfen nur zwei eine fünfminütige Rede halten: Ezhar Cezairli und der unbekannte Europaabgeordnete Badr Mohammed.

Umstritten ist auch das Ziel Schäubles, mithilfe der Konferenz ein Zentralorgan der Muslime zu schaffen, das möglichst alle Gläubigen dieser Religion hierzulande vertritt. Die Zahnärztin Cezairli will einen solchen repräsentativen Zentralrat nicht. „Die Integrationsbereitschaft dieser Verbände fehlt“, sagt sie. Es gebe Muslime, die nicht von Verbänden vertreten werden wollen. Cezairli zählt sich auch dazu. „Die öffentlichen Vertreter der Dachverbände reduzieren die Vorurteile gegenüber Muslimen nicht“, kritisiert sie. Cezairli ist eine entschiedene Kritikerin des Geschlechterrollenverständnis des Zentralrats, auf dessen Website steht: „Der Mann ist für den Unterhalt zuständig und die Frau ist bemüht, ihre Kinder zu erziehen und das Haus zu einem Hort der Geborgenheit zu machen.“ Cezairli dagegen fordert „ein gleichberechtigtes Nebeneinander und Miteinander“.

Das gibt es bisher nicht und wird es auch am Mittwoch nicht geben. Die Positionen liegen zu weit auseinander. Damit nicht genug. Für Unmut sorgt zudem, dass die Konferenz zu Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan stattfindet. Gläubige Muslime dürfen tagsüber weder essen noch trinken. Die muslimischen Gäste müssen also mit leeren Mägen diskutieren. Und bezeichnend ist auch, was laut Einladungsschreiben des Innenministeriums als Programmpunkt für den Nachmittag vorgesehen ist: „Die Möglichkeit zu einem gemeinsamen Imbiss.“