Mappus demontiert Geißler

STUTTGART 21 Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) lehnt generellen Baustopp weiter ab. Aus der eigenen Fraktion kommt Kritik an dem von ihm eingesetzten Vermittler Geißler

„Herr Mappus hat seinen eigenen Schlichter demontiert. Er untergräbt damit die Glaubwürdigkeit des gesamten Schlichtungsversuchs“

NILS SCHMID, SPD-LANDESCHEF

VON PAUL WRUSCH

BERLIN taz | Die Schlichtung im Streit um das geplante Milliardenprojekt Stuttgart 21 steht – bevor sie überhaupt begonnen hat – auf der Kippe. Nachdem der von Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) berufene Schlichter Heiner Geißler am Donnerstagabend einen Baustopp verkündet hatte, widersprachen ihm Mappus sowie Bahnchef Rüdiger Grube umgehend. „Es wird keinen Baustopp geben“, so Mappus noch am gleichen Abend. Opposition und Gegner von Stuttgart 21 warfen daraufhin Mappus vor, Geißler zu demontieren. Sie fordern weiterhin einen Baustopp als Voraussetzung für Vermittlungsgespräche.

Auch am Freitag lichtete sich die Verwirrung kaum. Das Stuttgarter Staatsministerium teilte mit, während der Friedensgespräche würden die Bauarbeiten bis auf zwei Einschränkungen sicherheitsrelevanter Art nicht fortgesetzt. Von einem generellen Baustopp sei bei Vermittler Geißler nie die Rede gewesen. Dieser wiederum sagte der Süddeutschen Zeitung: „Es kann und darf nicht sein, dass während der Schlichtungsgespräche Bagger herumrumpeln und Kräne sich drehen.

Trotz der Aufregung hält Ministerpräsident Mappus an seinem Plan fest, mit einer 60-köpfigen Delegation aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft nach Saudi-Arabien und Katar zu fliegen. Er verschob den Abflug allerdings um einen Tag auf den heutigen Samstag. Erst Ende nächster Woche wird er wieder in der Heimat sein. Vorher werden die Schlichtungsgespräche – so sie denn überhaupt zustande kommen – nicht beginnen.

Die Reise war lange geplant, kommt aber möglicherweise nicht ganz ungelegen. Denn in der CDU-Landtagsfraktion wächst der Unmut und die Kritik an Heiner Geißler als Vermittler. „Es war unprofessionell von ihm, sofort mit der Presse zu reden. Jetzt besteht die Gefahr, dass er von beiden Seiten nicht mehr ernst genommen wird“, sagte Reinhard Löffler, wirtschaftspolitischer Sprecher, der taz. Als Schlichter müsse Geißler sich zunächst intensiv mit beiden Seiten verständigen und eine Strategie für die Schlichtung vereinbaren. Löffler kann sich vorstellen, die Bauarbeiten für ein bis zwei Wochen ruhen zu lassen.

Auch der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Winfried Scheuermann, zeigte sich überrascht von Geißlers Vorpreschen. „Heiner Geißler ist bestimmt als Schlichter in Tarifverhandlungen geeignet. Aber da gibt es auch stets Kompromissmöglichkeiten. Bei Stuttgart 21 gibt es die nicht“, sagte er der taz.

In diesem Punkt herrscht also ausnahmsweise Einigkeit zwischen Befürwortern und Gegnern. „Entweder Stuttgart 21 kommt – oder es kommt nicht“, sagte Gangolf Strecker, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 am Freitag. Er hält an Heiner Geißler als Schlichter fest.

Kritik an Stefan Mappus hagelte es von seiten der SPD und der Grünen. „Herr Mappus hat seinen eigenen Schlichter demontiert. Er untergräbt damit die Glaubwürdigkeit von Heiner Geißler und die des gesamten Schlichtungsversuchs“, sagte SPD-Landeschef Nils Schmid der taz. Die Regierung in Baden-Württemberg versinke im Chaos.

Für die Verwirrung um einen Baustopp machten auch die Grünen den Ministerpräsidenten mitverantwortlich. „Augenscheinlich hat Mappus Angst vor der eigenen Courage bekommen“, so Baden-Württembergs Grünen-Fraktionsvorsitzender Winfried Kretschmann zur Berliner Zeitung. Er forderte am Freitag ergebnisoffene Gespräche. „Das bedeutet logischerweise, dass eine Beendigung des Projekts Stuttgart 21 nicht ausgeschlossen werden kann“, erklärte er. Ein Bau- und Vergabestopp sei daher unerlässliche Bedingung für die Gespräche.

Ebenso argumentieren die „Parkschützer“. „Wir sind nicht für Gespräche bereit, wenn weiter gebaut wird“, bekräftigte Matthias von Herrmann von den „Parkschützern“ gegenüber der taz. Das bezöge auch die Arbeiten an der Grundwasserregulierung ein, deren Weiterführung Mappus zuvor bestätigte. „Wir fordern ja nichts Unmögliches. Was sind schon ein paar Wochen Innehalten“, so von Herrmann.

Die Gegner von Stuttgart 21 können sich der Unterstützung der Mehrheit der Deutschen sicher sein. In einer aktuellen Umfrage der ARD von Infratest dimap lehnen 54 Prozent aller Befragten das Projekt Stuttgart 21 ab. Nur ein Drittel spricht sich für den unterirdischen Bahnhof aus. Eine am Freitag veröffentlichte Emnid-Umfrage im Auftrag von Campact kommt zum Ergebnis, dass 63 Prozent der Bundesbürger für einen Baustopp des Projekts sind.