„Wir pfeifen auf Schönbohm“

Bei der Bürgermeisterwahl in Cottbus arbeiten CDU und Linkspartei zusammen

BERLIN taz ■ Jörg Schönbohm ist ein Freund der straffen Führung. Von seinem CDU-Landesverband Brandenburg ist der Ex-General einiges gewohnt, aber so etwas hat er noch nicht erlebt. „Wir pfeifen auf Schönbohm“, rief ein Parteifreund aus Cottbus ihm zu und, noch schlimmer, am Ende musste Schönbohm auch noch parieren.

Der unbotmäßige Mann aus Cottbus heißt Holger Kelch und will am 22. Oktober Oberbürgermeister der Stadt werden. Und zwar mit Hilfe der Linkspartei.PDS, die Jörg Schönbohm am liebsten Linksradikale nennt. Der Parteichef wollte die einmalige Allianz verhindern, doch am Wochenende stimmte der CDU-Landesverband dann doch einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei.PDS in Cottbus zu, „dem Sündenfall“, wie ihn Justizministerin Beate Blechinger (CDU) nennt.

Seit Wochen ringen die Parteien in Cottbus um das Bürgermeisteramt. Im Juli wurde die parteilose Karin Rätzel wegen miserabler Amtsführung aus dem Rathaus gejagt. Die SPD benannte daraufhin Martina Münch, als siebenfache Mutter eine Art Lausitzer Ursula von der Leyen, als eigene Kandidatin. Doch wenig später entschied sie sich um. Jetzt soll Frank Szymanski, derzeit Verkehrsminister in Brandenburg, das Rathaus für die Sozialdemokraten erobern.

CDU, Linkspartei.PDS, FDP, die Aktiven Unabhängigen Bürger sowie die Frauenliste verständigten sich auf Holger Kelch als gemeinsamen Kandidaten, derzeit Ordnungsdezernent in Cottbus. In einem Positionspapier formulierten die Partner Leitlinien, die, wie es darin heißt, „als Basis der kommunalpolitischen Zusammenarbeit mindestens bis zur Kommunalwahl 2008 dienen“.

„Hier spielen sich wilde Dinge ab“, sagt Martina Münch, die verschmähte SPD-Kandidatin und Vizevorsitzende in Matthias Platzecks Brandenburg-SPD. Schon bei ihrer Kandidatinnen-Kür waren viele in der Partei der Meinung, dass Szymanski, ein Cottbuser Urgestein, der geeignetere Kandidat sei. Münch selber auch. Doch Szymanski wollte nicht weg aus Potsdam. Jetzt aber, wo sich eine Front aus CDU und PDS.Linkspartei gebildet hat, wurde er fast einstimmig zum Oberbürgermeister-Kandidaten gewählt. „Platzeck hat das spät, aber rechtzeitig erkannt“, sagte Martina Münch gestern zur taz. Erst als sich die Front aus CDU und Linkspartei gegen die SPD formierte, sei den Genossen klar geworden, wie wichtig die Oberbürgermeisterwahl in der mit rund 100.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Brandenburgs sei.

Die Kooperation von CDU und PDS, die auf Landes- oder Bundesebene kaum vorstellbar wäre, scheint in der Lausitz die wenigsten zu stören – zumindest nicht bei CDU und der Linkspartei.PDS. Zwar gebe es keine längere Tradition in der Zusammenarbeit, sagte Dieter Sperling, PDS-Fraktionsgeschäftsführer in Cottbus der taz. Bei Sachfragen habe man in der Vergangenheit aber oftmals konstruktiv mit der CDU zusammengearbeitet. Auch bei den Wählern stößt die ungewöhnliche Allianz nach Angaben Sperlings auf Zustimmung. „In zahlreichen Gesprächen haben wir herausgehört, dass auch die Linkspartei.PDS-Wähler mehrheitlich für einen gemeinsamen Kandidaten sind“, sagt Sperling. Vom Landesverband gab es keinen Widerstand, wohl aber den Ratschlag, man solle bei der Sache nicht unter die Räder kommen. BARBARA BOLLWAHN

CHRISTIAN PANSTER