Wo verläuft die Front?

Den Vorwurf einseitiger Berichterstattung im Libanonkrieg haben ARD und ZDF am Wochenende einhellig zurückgewiesen – logisch. Fragt sich nur, wem die tendenziöse Debatte wirklich nützt

VON STEFFEN GRIMBERG

Kriege und Krisen verschaffen Medien immer erhöhte Aufmerksamkeit. Und spätestens in der zweiten Woche von interessierter Seite die Anfrage, auf wessen Seite sie eigentlich stehen. Der Krieg im Libanon macht da keine Ausnahme.

„Israel in der Täterrolle“, schrieb Springer Bild am Sonntag schon in der vergangenen Woche über die Berichterstattung bei ARD und ZDF. Ganz klar, die Öffentlich-Rechtlichen sind mal wieder ihre Gebühren nicht wert (auch wenn sich die BamS bisher diesen Seitenhieb verkneift) und stehen nicht eindeutig genug Seit an Seit mit den Söhnen Israels. Gestüzt wurde das Ganze auf eine eigens beim „Media Tenor“-Institut in Auftrag gebenene Studie, die prompt zu dem Schluss kommt: „In ihren Hauptnachrichtensendungen werden ARD und ZDF ihrem Auftrag der unparteilichen und unabhängigen Berichterstattung über die Vorgänge im Nahen Osten nicht gerecht.“

Nun stehen bei Springer die Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen, „die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes“ festgemeißelt in den Unternehmensgrundsätzen. Damit es keine Missverständnisse gibt: Dies sind ehrenwerte, wichtige Ziele. Wie sich diese allerdings mit der „unparteilichen und unabhängigen Berichterstattung“ vertragen, muss Springer selbst beantworten.

Und so darf man sich zumindest den Verdacht leisten, das Fazit des Media Tenor hätte schon vor Auszählung der 334 Beiträgen von „tagesschau“ bis „heute journal“ in nicht nur groben Zügen festgestanden. Denn dass die blanke Erbsenzählerei des Bonner Instituts für Medienanalyse nicht eben wissenschaftlich überzeugt, ist ein alter Hut. Zumal auch dort nach den nackten Zahlen nochmal die große Interpretationsmaschine angeworfen wird, die in ihrer Tendenz ziemlich dicht am postmodernen Springer-Weltbild parkt.

So war es für ARD und ZDF leicht, den Vorwurf einseitiger Berichterstattung im Libanonkrieg zurückzuweisen – wie auch gestern bei den Anmerkungen von Salomon Korn. Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden kritisiert im aktuellen Spiegel noch einmal die Berichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen als „einseitig“ oder zumindest „nicht ausreichend“, schießt sich dann aber durch den Nachsatz „Ich habe immer mehr den Eindruck, es geht vielen unbewusst darum, jetzt offene Rechnungen mit Israel aus der Vergangenheit zu begleichen“ selbst ins Aus.

Springer bemühte dagegen in der gestrigen Bild am Sonntag Richard von Weizsäcker als Kritiker an „unzureichender Berichterstattung“.

Doch der Altbundespräsident versteht sowohl, wie Fernsehen als auch Bild/BamS funktionieren – und relativierte selbst: „Ausgewogen kann die Berichterstattung über Kampfhandlungen deshalb nicht sein, weil Israel sehr viel massiver vorgeht, als die Hisbollah es kann“, so Weizsäcker laut BamS.

Dort hatte man noch eine interessante Erkenntnis parat: Nach dem „Riesenwirbel um den BamS-Bericht“ der Vorwoche berichteten „ARD und ZDF jetzt ausgewogener“. Wer’s festgestellt hat? – Media Tenor, natürlich.

Ein anderes Springer-Blatt titelte gestern im politischen Teil mit der „Sehnsucht nach kalkuliertem Krawall“. Leider meinte die Welt am Sonntag das Parteiprogramm der CDU.