Eine sehr, sehr laute Aktivistin

Es waren nur wenige Sekunden, in denen Diane Wilson die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sich gezogen hat. Am 9. Juni stürmte sie in Washington, D. C. eine Energieausschusssitzung des US-Senats und vergoss ein Glas mit nachgemachtem Öl über sich. Daraufhin forderte sie die Inhaftierung des ebenfalls anwesenden Ex-BP-Chefs Tony Hayward. Die Protestaktion richtete sich vor allem gegen eine Gesetzesblockade der republikanischen Senatorin Lisa Murkowski, die weiterhin an einer Haftungsbegrenzung für Ölfirmen festhält. Derzeit liegt die Begrenzung bei 75 Millionen US-Dollar. In Relation zu dem durch das Leck auf der BP-Bohrstation „Deepwater Horizon“ verursachten Schaden ist das eine verschwindend geringe Summe.

Wegen Störung der Senatssitzung ist die 61-Jährige am vergangenen Freitag vom Washingtoner Kammergericht zu 840 Tagen Haft verurteilt worden. Vollstreckt wurde das Urteil aber noch nicht. Wilson bleibt zunächst auf freiem Fuß, vorausgesetzt, sie wird im kommenden Jahr nicht verurteilt. Außerdem darf sie die US-Hauptstadt neun Monate lang nicht betreten.

Es war nicht Wilsons erste Aktion seit Beginn der Ölpest im Frühjahr: Ende Mai zog sie sich gemeinsam mit ihrer Tochter und anderen Frauen der feministischen Bewegung „Code Pink“ vor der BP-Zentrale im texanischen Houston aus. Wilson, in der vierten Generation Kapitänin auf einem Krabbenkutter am Golf von Mexiko, kämpft seit über 20 Jahren gegen die toxische Verschmutzung in ihrer Heimat. Schon im Dezember 2005 wurde sie zu einer viermonatigen Haftstrafe verurteilt, nachdem sie sich an einen Turm des Chemiekonzerns Dow Chemical gekettet hatte.

Für ihr vielseitiges Engagement erhielt Wilson, die sich in ihrer Autobiografie selbst als „unvernünftige Frau“ bezeichnet, 2006 den Blue Planet Award der in Berlin ansässigen Ethecon-Stiftung. Die Verurteilung wird die Umweltaktivistin aber nicht vor weiteren Aktionen abhalten. „Wenn mir das Wort verboten wird, dann werde ich mir anders Gehör verschaffen. Mit einem Hungerstreik.“ Bereits am 3. September will Diane Wilson ihren Hungerstreik offiziell beginnen. JULIAN JOCHMARING