NPD als Verkaufshilfe

Der Mainzer Innenminister warnt vor den Immobilientricks der NPD. Seine Forderung: Die „Geldschöpfungsmaschine“ der Rechtsextremen stoppen

VON ASTRID GEISLER

Für die örtliche Bürgerinitiative ist es eine Hiobsbotschaft, für den Innenminister von Rheinland-Pfalz ein wichtiges Signal: Die Gemeinde Kirchheim an der Weinstraße kauft nicht die „Alte Gräflich Leininger Mühle“, einen pleitegegangenen Gasthof im Ort. Der Gemeinderat hat stattdessen entschieden: Er lässt der NPD den Vortritt, die dort ein „nationales Schulungszentrum“ einrichten will. Angeblich.

Das Mainzer Innenministerium hatte die besorgten Kirchheimer seit Wochen gewarnt: Die vollmundigen Ankündigungen der Rechtsextremen könnten ein riesiger Bluff sein. Minister Karl Peter Bruch (SPD) ist überzeugt: Das Winzerdorf, Heimatort der amtierenden deutschen Weinkönigin, wäre mit einem Notkauf des Gasthofs nur einer „Geldschöpfungsmaschine der NPD“ aufgesessen. Im Gespräch mit der taz äußerte der Sozialdemokrat offen einen Verdacht, den Verfassungsschützer längst hinter vorgehaltener Hand diskutieren: „Die NPD täuscht Immobiliengeschäfte mit notleidenden Geschäftsleuten vor, um auf diese Weise Geld zu schöpfen.“

Die Gemeinde zahle einen überhöhten Kaufpreis für eine Immobilie. Es sei anzunehmen, dass die NPD anschließend an dem erzielten Gewinn beteiligt werde. Verkäufer und NPD teilten das Geld untereinander auf. Bruch fordert: „Wir müssen der NPD zeigen, dass sie mit uns nicht spielen kann.“ Er will das Thema sogar auf der Innenministerkonferenz zur Sprache bringen.

Was sich in Kirchheim anbahnte, war zuvor bereits in anderen Kommunen abgelaufen – im bayerischen Grafenwöhr beispielsweise oder in Cham. Wie in Kirchheim war dort der Würzburger NPD-Funktionär Uwe Meenen mit einem Kaufvertrag für eine unverkäufliche Immobilie aufgekreuzt. Seine Botschaft: Die NPD plane ein „nationales Schulungszentrum“. Das Entsetzen der Bürger ließ nicht auf sich warten: Ihre Gemeinde bald Paradeplatz für Rechtsextreme?

Aus Furcht vor dem rechtsextremen Spuk zogen die Stadtverwaltungen in Grafenwöhr und Cham die Notbremse. Sie kauften für üppige Summen Schrottobjekte, die sie eigentlich nie haben wollten. Nur um sich die NPD vom Hals zu halten.

Doch Fachleute in Sicherheitsbehörden haben inzwischen Argumente gesammelt, die Zweifel an der Ernsthaftigkeit der angedrohten Verkäufe wecken: So habe der Würzburger NPD-Mann Meenen selbst kein Vermögen – ganz im Gegensatz zum Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger, der gerade erklärte, eine Hotelanlage in Delmenhorst kaufen zu wollen. Auch die NPD-Landesverbände seien finanziell klamm und zu solchen Millionendeals nicht in der Lage.

Stutzig machten die Fachleute zudem einige Kaufverträge, die sie zu Gesicht bekamen. Weder wann noch an wen das Geld fließen solle, sei darin festgelegt worden. Sie wunderten sich, dass die Rechtsextremen stets nach allen Regeln der Kunst versuchten, Wirbel um ihre geplanten Deals zu machen – statt sie still und zügig durchzuziehen.

In Neonazi-Kreisen hat sich Meenen mit seinen Geschäften jedenfalls einige Bewunderer gemacht. So listete das rechtsextreme Internetportal Störtebeker-Netz schon vor einem Jahr die Vorzüge dieser Deals für die NPD auf. Fazit: „Verlieren kann sie [die NPD] dabei eigentlich nicht. Das ‚Schlimmste‘, was ihr passieren könnte, wäre eigentlich nur, dass sie wirklich ein eigenes Parteizentrum bekommt, aber ob das wirklich so schlimm ist? Für die Partei sicherlich nicht.“

Für Kirchheim aber wäre es eine Katastrophe, warnt die dortige Bürgerinitiative. Einen Vorgeschmack hat das Dorf bereits bekommen: Denn der Besitzer des Gasthofs ließ die Neonazis inzwischen schon mal zur Miete einziehen, sie veranstalten Kameradschaftsabende, Parteitreffen, Konzerte. Die Polizei ist regelmäßig im Einsatz. Bürger fürchten nun, dass die NPD – aus welchen Quellen auch immer – doch das Geld für den Kauf zusammenbekommt. „Dann“, sagt eine Kirchheimerin, „sind wir die Deppen der Nation.“