Entlassene Straftäter müssen nicht zurück ins Gefängnis

JUSTIZ Sicherungsverwahrung darf nachträglich nicht verlängert werden, auch wenn Täter gefährlich sind

FREIBURG taz | Rund achtzig „Altfälle“, die jetzt aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden, können nicht sofort wieder inhaftiert werden. Das ergab nach Angaben des Bundesjustizministeriums ein Treffen der Justizstaatssekretäre von Bund und Ländern in Berlin.

Alle Betroffenen wurden vor 1998 zu langjährigen Haftstrafen mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Damals war die Verwahrung aber noch auf zehn Jahre begrenzt. Diese Frist hat der Bundestag 1998 aufgehoben, auch für die bereits verurteilten „Altfälle“.

Im Dezember hat jedoch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass die „Altfälle“ nur maximal zehn Jahre in Sicherungshaft bleiben müssen, da Strafgesetze nicht rückwirkend verschärft werden dürfen.

Nach Medieninformationen sind von 80 bis 90 Betroffenen bereits 15 entlassen worden. Ob und wann die übrigen „Altfälle“ entlassen werden, wird demnächst der Bundesgerichtshof entscheiden.

Teilweise werden die Entlassenen von der Polizei rund um die Uhr überwacht. Unionspolitiker hatten ein Gesetz gefordert, das die erneute Inhaftierung ermöglicht, weil die Männer noch als gefährlich und rückfallgefährdet gelten. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte kürzlich in einem Interview mit Bild: „Wer gefährlich ist, muss wieder hinter Schloss und Riegel.“

Solche Vorschläge wies Bundesjustizstaatssekretärin Birgit Grundmann nun zurück. Der Bund werde auf Vorschlag der Länder den Einsatz von elektronischen Fußfesseln bei der Führungsaufsicht ermöglichen. Damit habe der Bund seine gesetzgeberischen Möglichkeiten „voll ausgeschöpft“. Grundmann betonte, dass die große Mehrheit der Länder das auch so sehe.

Diskutiert wurde bei dem Treffen in Berlin, ob Straftäter für eine gewisse Zeit freiwillig in geeigneten Einrichtungen der Länder bleiben können, um besser auf ihre Entlassung vorbereitet zu werden.

Sollten einzelne Bundesländer, etwa Bayern, neue Gesetze planen, um die Entlassenen zur Gefahrenabwehr dauerhaft einzusperren, dürfte auch dies gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen.

CHRISTIAN RATH