KOMMENTAR VON KLAUS-HELGE DONATH
: Russlands Feuerinferno legt politisches Versagen bloß

Der vermeintlich starke Staat ist nicht in der Lage, des Feuers Herr zu werden

Der August gilt in Russland gemeinhin als Schicksalsmonat. Kaum ein Jahr vergeht, in dem das Land nicht im Spätsommer von einer Hiobsbotschaft heimgesucht würde: Mal sinkt ein Atom-U-Boot, mal rücken Kreml-Truppen wie 2008 in Georgien bei einem Nachbarn ein. In diesem Jahr spielt nun allein die Natur Russland übel mit. Feuersbrünste und Hitzeschübe jagen durch den europäischen Teil und drohen selbst die stolze Hauptstadt in die Knie zu zwingen.

Mit Verspätung sind auch im Kreml die Feuermelder angegangen. Das Inferno entfacht eine ökologische und menschliche Katastrophe: 50 Menschen fielen den Flammen zum Opfer, tausende wurden obdachlos. Zu Recht verweist die politische Führung, die sich sonst gern ihrer Omnipotenz rühmt, jetzt darauf, dass sie auf die Natur leider nur begrenzten Einfluss habe. So weit reicht die Macht Wladimir Putins und seines Ziehsohns Medwedjew dann doch nicht.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn die Feuersbrunst legt auch die Inkompetenz der politischen Führung bloß. Als eigentliche Katastrophe erweist sich dabei das Prinzip der zentralen Lenkung, das der Kreml unter Putin dem Land wieder übergestülpt hat. Nun zeigt sich Russlands vermeintlich starker Staat als nicht in der Lage, elementarste Aufgaben von Staatlichkeit zu erfüllen.

Die Politik überdies kennt keine Verantwortung, sie muss sich vor niemandem rechtfertigen. Denn freie Wahlen gibt es nicht, die Bevölkerung ist mit ihrer Statistenrolle meist zufrieden. Nur wenige Proteste regten sich bislang. Gleichwohl kommt Russlands Elite im Angesicht der Katastrophe nicht umhin, dem Fußvolk etwas Aufmerksamkeit zu widmen. Als Oberkommandierender der Feuerwehr und staatlicher Versicherungsagent eilt Wladimir Putin von Brandherd zu Brandherd und stellt großzügig Policen aus. Die Angst vor einem politischen Flächenbrand öffnet ihm die Taschen.

Doch Russland droht keine orange Revolution. Die russische Öffentlichkeit ahnt zwar: Wer noch nicht einmal einen funktionierenden Feuerschutz organisieren kann, der wird auch kein Silicon Valley bauen. Doch die Menschen wollen Stabilität, keinen Wandel. Die Ängste der Führung sind deshalb unbegründet. Sie speisen sich vielmehr aus dem schlechten Gewissen der politischen Kaste, die das Land ausgebeutet und im eigenen Interesse betrogen hat.