Verteidiger im Vorteil

SUPER BOWL Die abwehrstarke Truppe der Seattle Seahawks lässt die Denver Broncos um Star-Quarterback Peyton Manning alt aussehen und gewinnt das Spiel der Spiele im American Football mit 43:8 mehr als deutlich

AUS EAST RUTHERFORD SEBASTIAN MOLL

Peyton Manning gab sich alle Mühe, die Contenance zu wahren nach der vernichtenden 43:8-Niederlage seiner Denver Broncos im Super-Bowl-Finale gegen die Seattle Seahawks. Der Star-Quarterback der abgelaufenen Saison ließ die Fragen nach den Gründen für den Kollaps seiner Mannschaft geduldig über sich ergehen und versuchte sie mit Ruhe und Bedacht zu beantworten. Wie um die Fassung zu unterstreichen, um die er sich bemühte, hatte er sogar einen blauen Nadelstreifenanzug mit akkurat gebundenem Schlips angelegt, und das keine Viertelstunde nach dem Abpfiff.

Doch ganz schaffte er es dann doch nicht, seine Gefühle im Zaum zu halten. Auf die Frage, ob er und seine Mannschaftskameraden die Niederlage als peinlich empfänden, brach aus dem Gentleman Manning der ganze Zorn heraus, zu dem der extrem kontrollierte Vollprofi fähig ist. „Verzeihen Sie“, sagte er zu dem Reporter, der die Frage gestellt hatte, und schaute ihm dabei tief in die Augen, „aber ich halte die Bezeichnung ‚peinlich‘ für eine Beleidigung.“

Kurz darauf beendete Manning abrupt die Pressekonferenz in der Ecke des großen Medienzeltes auf einem Parkplatz vor dem Met Life Stadion in New Jersey. Der Frust saß einfach zu tief, als dass er sich dem noch weiter hätte aussetzen mögen.

Stolpernde Hengste

Die Reaktion war nachvollziehbar. So viel hatten die Denver Broncos sich für dieses Finale vorgenommen, die Mannschaft, die bei der Vorstellung der Kontrahenten durch Schauspieler Kurt Russell zum Spielbeginn als „beste Offensivmannschaft aller Zeiten“ präsentiert wurde. Doch dann missriet der Sturm der Hengste aus Colorado zu einem einzigen Gestolper.

Schon in den ersten Sekunden des Spiels wirkten die Broncos wie Stümper. Center Manny Ramirez verwarf einen sogenannten Snap, ein Fehler, der in etwa mit einem Elfmeter vergleichbar ist, der zehn Meter am Tor vorbeigeht. Die Broncos verwandelten das Missgeschick in einen „Safety“ und gingen mit zwei Punkten in Führung.

Es sollte das Fanal zu einer Partie werden, in der Manning und die Broncos nie in Tritt kamen. Manning warf zwei Interceptions (Fehlpässe), eine Unbeholfenheit, die ihm das ganze Jahr über nicht unterlaufen war. Die zweite Hälfte, zu deren Beginn Denver bereits mit 22:0 in Führung lag, startete noch unglücklicher als die erste. Seahawks-Receiver Percy Harvin fing den Kick Off von Bronco Matt Prater ab und marschierte damit 87 Yards weit quer über das Feld zum Touchdown. Der 29-zu-0-Vorsprung zu diesem Zeitpunkt war schon praktisch uneinholbar, das Spiel gelaufen.

Somit war die Frage eindeutig entschieden, die in den Tagen vor dem großen Spiel die Fachwelt beschäftigt hatte. Wer wird wohl gewinnen, wollte man wissen, wenn die beste Offensive des Sports auf die beste Defensive trifft. Mit Offensive, so die ernüchternde Antwort, ist kein Staat zu machen, selbst wenn sie von Peyton Manning dirigiert wird, einem der überragenden Quarterbacks seiner Generation.

Manning sah gegen die Verteidiger aus dem Nordwesten alles andere als überragend aus. Die Seattle Safeties Earl Thomas und Lam Chancellor, die sich auch die „Legion of Boom“ nennen, gaben Manning so wenig Raum und Zeit, dass er nie zu einem klaren freien Wurf kam. Noch bevor er freie Sicht und einen festen Stand hinbekam, hatten die Seahawks-Verteidiger ihn zumeist schon in der Zange.

So kam es zu seinen beiden Fehlpässen, von denen einer in die Hände von Linebacker Malcolm Smith fiel, der damit 69 Yards oder rund 65 Meter den Platz hinunter zum Touchdown preschte. Der Spielzug trug ihm die Auszeichnung des wertvollsten Spielers des Finales ein, eine Auszeichnung, auf die auch Peyton Manning sich Hoffnung gemacht hatte. Smith hingegen war davon vollkommen überrascht. „Das hätte ich mir nie träumen lassen“, sagte er breit grinsend nach dem Spiel im Pressezelt.

Smith war nicht der einzige Spieler der aggressiven, jungen Truppe aus Seattle, die an diesem Sonntag aus dem Schatten von Manning trat. So rückte auch der Seahawks-Quarterback Russell Wilson ins Rampenlicht, der erst in seinem zweiten Profijahr steht und zwölf Jahre jünger als der 37 Jahre alte Manning ist. Er warf 206 Yards an Pässen, 68 mehr als Manning. Forbes Magazine erklärte ihn unmittelbar danach schon zum zukünftigen „100-Millionen-Dollar-Mann“.

Für Manning, der gerade erst ein langes Comeback von einer schweren Verletzung hinter sich hat, war trotz der Enttäuschung klar, dass er sich so nicht verabschieden möchte. „Das ist eine bittere Pille. Aber ich hoffe, dass wir das im kommenden Jahr in etwas Positives ummünzen können“, sagte er. So richtig überzeugt klang das an diesem Abend noch nicht. Aber Manning hat in seiner langen Laufbahn schon schwerere Rückschlage weggesteckt.