Und doch für Israel

In Großbritannien und Frankreich tun sich viele Juden schwer mit Israels derzeitiger Politik – aber eine grundsätzliche Solidarität ist da

DUBLIN/PARIS taz ■ „In Großbritannien wählen sie die Tories, in Israel unterstützen sie Labour“, sagte John Benjamin, Geschäftsführer des „Rats der britischen Juden“. Er meinte die jüdische Bevölkerung in Großbritannien. Rund 267.000 Juden leben auf der Insel. „Zwei Juden, drei Meinungen“, lautet ein jüdisches Sprichwort.

Großbritanniens Juden sind gespalten, wenn es um Israel geht. „Die jüdische Mittelschicht in Großbritannien ist tief unter der Oberfläche verärgert über Israels Regierungspolitik“, schreibt die jüdische britische Autorin Linda Grant im Independent. „Aber sie drückt diesen Ärger nicht öffentlich aus, um den Feinden des Staates keine Argumente zu liefern.“ Benjamin äußert sich auch nicht über Israels Politik. „Wir sprechen lediglich darüber, welche Auswirkungen die Berichterstattung über Israel auf uns hat.“ Benjamin erklärt: Viele Juden, die politisch links stehen, fühlten sich isoliert – beargwöhnt vom jüdischen Mainstream, abgeschreckt vom Antisemitismus der palästinensischen Gruppen.

Die 2002 gegründete Organisation „Juden für Gerechtigkeit für Palästina“ verurteilte jüngst die Bombardierung eines Kraftwerks in Gaza. Einer der 300 Unterzeichner: Literaturnobelpreisträger Harold Pinter. Jewish Chronicle-Chefredakteur David Rowan sagt: „Israel hat zurzeit ein lausiges Image. Wir führen in unserer Zeitung eine Debatte darüber, ob man dieses Image verändern muss. Manche argumentieren, dass wir keine positive Werbekampagne brauchen, sondern dass das Töten von Kindern im Libanon das Problem ist.“

In Paris wurden am Mittwochabend in der „Sieges-Synagoge“ 1.200 jüdische Auswanderer nach Israel mit einem Gebet verabschiedet. Der Saal war mit israelischen Fahnen geschmückt. Großrabbiner David Messas sprach ein Gebet für den Frieden – und den Sieg Israels. Israels Integrationsminister Zeev Boïm sagte als Ehrengast: „Macht euch keine Sorgen, unser Kampf ist gerecht.“ Er lobte Innenminister Nicolas Sarkozy, weil er die Hisbollah „für die Aggression verantwortlich“ gemacht habe.

Die etwa 600.000 Juden Frankreichs wissen, dass die Bilder aus dem Libanon die Öffentlichkeit schockieren. Mit einer Zeitungsanzeigen wirbt der Repräsentative Rat der Jüdischen Institutionen Frankreichs (CRIF) um Verständnis: „Würde Frankreich passiv bleiben, wenn Marseille, die Partnerstadt von Haifa, wo mehrere Einwohner getötet wurden, von Terroristen bombardiert würde?“ Der CRIF ahnt: Die Eskalation kann die Spannungen zwischen den religiösen Gemeinschaften verschärfen. Seit der zweiten Intifada hat der Antisemitismus in Frankreich zugenommen.

RALF SOTSCHECK, RUDOLF BALMER