Geld vermehren im Schneeballsystem

GRAUER KAPITALMARKT Prokon-Gründer Carsten Rodbertus präsentierte sich gern als erfolgreicher Querdenker im Markt der erneuerbaren Energien. Doch Krisen haben bei Prokon Tradition

VON TARIK AHMIA

BERLIN taz | Die Geschichte des Windkraftfinanziers Prokon ist gezeichnet von falschen Versprechungen, übertriebenen Erwartungen und bitteren Auseinandersetzungen mit Anlegern. Erste existenzgefährdende Konflikte zwischen Firmengründer und Prokon-Chef Carsten Rodbertus und Prokons Geldgebern brachen schon vor Jahren aus.

Als erste Zeitung warnte die taz im Februar 2010 vor Prokons riskanten Genussscheinen. Schon damals waren erste Klagen von Anlegern gegen das Unternehmen anhängig. Einer der Kläger von damals ist Klaus Boe, ein Unternehmer aus dem Sauerland.

Boe hielt Prokons Genussscheinmodell für im Kern betrügerisch: „Prokon betreibt ein Schneeballsystem, das in wenigen Jahren komplett crashen und zu einem der größten Skandale der deutschen Windbranche werden könnte“, sagte Boe 2010 der taz.

Prokons Hauptgeschäft bestand seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 1995 zunächst darin, Windparks zu bauen, diese in Fonds zu bündeln und an Gesellschafter zu verkaufen. Eigentümer der Windparks waren zu diesem Zeitpunkt die Investoren, etwa 4.600 „Kommanditisten“. Prokon übernahm die Geschäftsführung damals lediglich als Dienstleister und garantierte seinen Kommanditisten, ihnen jährlich mindestens 6 Prozent Zinsen auszuzahlen.

Doch Jahr für Jahr blieben bei Prokon die realen Erträge der Windparks weit hinter den Prognosen der Verkaufsprospekte zurück. Wiederholt gerieten Prokons Windparkfonds in Geldnot. 2004 musste das Unternehmen einen Windpark „zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen“ verkaufen. 2010 bestätigte Prokon gegenüber der taz, dass seine Windanlagen nur 85 Prozent der geplanten Durchschnittserträge erbracht hatten.

Bereits 2003 hatte Carsten Rodbertus das Geschäftsmodell seiner Firma komplett umgestellt. Prokon setzte auf massive Werbung, um bei Kleinanlegern das Kapital als stimmlose Genussrechte einzuwerben. Die Anleger werden so zu „stillen Mitunternehmern“. Genussscheine versprechen hohe Zinsen, wenn die Geschäfte gut laufen. Inhaber der Papiere haben jedoch kein Mitspracherecht bei Unternehmensentscheidungen. Im möglicherweise nun eingetretenen schlimmsten Fall droht ihnen der Totalverlust. Die bisherigen Kommanditisten mussten ihre Anteile in Genussscheine umtauschen, ansonsten drohte ihnen Rodbertus, die Windkraftfonds weiter unter Wert zu „liquidieren“.

Die neue Finanzierungsmasche erwies sich für Prokon als Goldader. Innerhalb weniger Jahre verkaufte das Unternehmen Genussrechte für hunderte Millionen Euro. Gegenüber den häufig uninformierten Anlegern ging Prokon keine ernsthaften Verpflichtungen für den Fall ein, dass einmal etwas schiefgehen sollte. Das regeln die Genussrechtsbedingungen, die jeder Anleger unterschrieben hat.

Trotz des Weckrufs von Verbraucherschützern, der taz und anderen Medien entwickelten sich Prokons Genussrechtseinnahmen explosionsartig auf zuletzt 1,4 Milliarden Euro. Gleichzeitig klaffte die Lücke zwischen Einlagen und realen Geschäften immer weiter auseinander. 2012 ging kein einziger neuer Prokon-Windpark ans Netz. Prokon zahlte dennoch weit mehr Zinsen aus, als das Unternehmen tatsächlich erwirtschaftete. Das konnte nicht gut gehen.

Ex-Prokon-Anleger Klaus Boe hat gegen Prokon mittlerweile einen juristischen Sieg errungen. Ein Gericht sprach ihm Schadenersatz in sechsstelliger Höhe zu. Boes Forderungen müssen nun aus der Insolvenzmasse des Unternehmens beglichen werden. Schadenfreude empfindet Boe wegen der Insolvenz nicht. Der taz sagte er am Donnerstag: „Ich bin erleichtert darüber, dass Prokons illegales Schneeballsystem nun endlich beendet wird.“