Bischöfin Jepsen opfert sich

RÜCKTRITT Die Bischöfin der Nordelbischen Kirche, Maria Jepsen, gibt auf. Sie wird kritisiert, Missbrauchsvorwürfen an einen Pastor nicht energisch genug nachgegangen zu sein

„Frauen sitzen das nicht einfach aus, sie stehen dazu“

BISCHÖFIN MARIA JEPSEN IN EINEM TAZ-INTERVIEW IM MAI

VON PHILIPP GESSLER
UND DANIEL WIESE

Die 1992 als weltweit erste Frau zur lutherischen Bischöfin gewählte Maria Jepsen ist gestern zurückgetreten. Die 65-jährige Hamburgerin stand seit Tagen unter Druck. Ihr wurde vorgeworfen, sie sei Missbrauchsvorwürfen an einen Pastor nicht energisch genug nachgegangen.

Jepsen verkündete ihre Entscheidung kurz und schmerzlos bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Die Theologin gab vor versammelten Kameras und Mikrofonen ein kurzes Statement ab, anschließende Frage waren nicht zugelassen. Auch Interviewwünsche lehnte sie ab. Jepsen, die ihre Unschuld beteuerte, wirkte gelöst und machte den Eindruck, als sei sie froh, die Auseinandersetzungen hinter sich zu haben.

Der Rücktritt von Jepsen kam, einen Tag nachdem der Spiegel und das Hamburger Abendblatt berichtet hatten, eine Zeugin habe eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, dass sie die Bischöfin bereits 1999 von Missbrauchsfällen in der Ahrensburger Kirchengemeinde informiert habe. Bei der Tagung „Bei aller Liebe – Gewalt im Geschlechterverhältnis“ in Lübeck, bei der Jepsen Schirmherrin gewesen sei, sei sie auf die Bischöfin zugegangen und habe „sinngemäß“ gesagt, der Ahrensburger Pastor Dieter K. habe „Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht“. Jepsen habe darauf „bejahend“ geantwortet und sei weitergegangen.

Jepsen sagte, sie könne sich an diese Begegnung nicht erinnern, von einem Missbrauch von Jugendlichen könne aber nicht die Rede gewesen sein, sonst hätten bei ihr „die Alarmglocken geschrillt“. Auch die damalige Dienstvorgesetzte von K., Pröpstin Heide Emse, kann nicht bestätigen, dass ein Mädchen aus der Jugendgruppe von Pastor K. nicht nur davon berichtet hatte, dass der Seelsorger sich an ihr vergangen hatte, sondern auch die Namen von anderen Opfern genannt hatte, darunter zwei der Stiefsöhne des Pastors.

Maria Jepsen wurde am 19. Januar 1945 im Bad Segeberg geboren. Im Studium und später im Beruf war für sie die feministische Theologie bedeutsam. Als Bischöfin machte Jepsen die Diakonie, die Ökumene und die interreligiösen Begegnungen zu ihren vorrangigen Themen und blieb eine Vorkämpferin für die Gleichstellung der Frau in der Kirche. Sie setzte sich für die Legalisierung homosexueller Lebensgemeinschaften ein.

Noch einen Tag vor Jepsens Rücktritt hatte die Nordelbische Kirche eine Ehrenerklärung für Bischöfin Jepsen und die ehemalige Pröpstin Emse abgegeben. Die beiden hätten bei den Missbrauchsfällen „nach bestem Wissen und Gewissen“ gehandelt, hatte der Vorsitzende der Nordelbischen Kirchenleitung, Bischof Gerhard Ulrich, erklärt.

Jepsen hatte im Mai im taz-Interview anlässlich des Ökumenischen Kirchentags ihre Hochachtung vor dem schnellen Rücktritt der EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann geäußert. „So bedauerlich das ist, dann erwarte ich auch eine Konsequenz“, sagte Jepsen, „ich hoffe auch, dass das einen Vorbildcharakter hat.“ Auch die Vermutung, dass Männer so etwas wohl eher ausgesessen hätten, ließ sie nicht gelten: „Das ist kein Weg.“ Käßmann hätte die Angelegenheit nicht durchstehen sollen, so Jepsen: „Frauen sitzen das nicht einfach aus, sie stehen dazu.“