DAUMENKINO

„Moon“ – Ressourcen-abbaustelle

Wer die einschlägigen Filme kennt, der weiß, wie es auf einer Raumstation im All so zugeht: die einsamen Flure, die kahlen Räume, in denen statt Möbel allenfalls Maschinen stehen, die „vermenschlichte“ Kommunikation mit den Computern, die gelegentliche Videobotschaft von der Familie, das Gefühl, das etwas faul ist im Sternenstaat und über all dem die Atmosphäre einer existenziellen Verlorenheit.

So gesehen spielt „Moon“ auf vertrautem Terrain. Fast glaubt man den Astronauten Sam (Sam Rockwell) schon zu kennen, wie er da auf dem Mond seiner Arbeit nachgeht. Außerdem ist es ein Job wie viele andere: Sam muss im Wesentlichen den vollautomatischen Maschinenpark überwachen, der zur Gewinnung eines bestimmten Rohstoffs im Einsatz ist.

Das Neue und Sehenswerte an Duncan Jones’ (Nicht, dass es eine Rolle spielt: Er ist der Sohn von David Bowie) Regiedebüt liegt in den kleinen Abweichungen von den Genrekonventionen. Das beginnt schon mit dem Ort der Handlung, dem Mond, der schon lange keine Sci-Fi-Fantasien mehr entzündet. Jones zeigt ihn dementsprechend kahl und geheimnislos, nichts anderes als eine weitere Ressourcenabbaustelle.

Auch die mit menschlicher Sprache kommunizierenden Bordcomputer sind von anderem Charakter als die Sehgewohnheit zu diktieren scheint: GERTY, dem Kevin Spacey die Stimme leiht, erfüllt nicht nur die Aufgaben eines Butlers und einer Krankenschwester in einem, er tut dies je nach Aufgabenlage mit passender emotionaler Note: diskret, mütterlich, sanft, nie rechthaberisch. Ein Display mit Smiley zeigt seine Stimmung an, und manchmal sieht man, wie er mit sich ringt. Zum Beispiel als Sam darauf besteht, nach einem Betriebsunfall schon kurz nach seiner Genesung wieder an die Arbeit zurückzukehren.

Nun, GERTY weiß eben schon vorher, was er dort finden wird: Sich selbst. Genau wie die beiden Sams durchschaut der Zuschauer zwar bald, was Sache ist, aber das tatsächliche Begreifen hinkt hinterher. Zumal die Situation schwer zu beantwortende Fragen aufwirft, nicht nur auf philosophischer Ebene – „Wer sind wir und wenn ja wie viele?“ –, sondern auch auf der allgemeinmenschlichen: Würde ich mich mit mir selbst anfreunden? Mich für mich selbst aufopfern? Eine Situation, die auch Computer GERTY und seine Loyalitätsprogrammierung vor eine echte Herausforderung stellt. Duncan Jones gelingt mit „Moon“ etwas, wo aufwändigere und kostspieliger produzierte Filmen oft enttäuschen: Er mixt Vertrautes und Fremdes, Science-Fiction und Realität in Bilder, die das Denken anregen.

Sam Rockwell tut das Seine hinzu, indem er seine nahezu unheimliche Fähigkeit demonstriert, einen Charakter in zwei Varianten vorzuführen. Man kann am Ende kaum glauben, dass man hier im Wesentlichen ein Einpersonenstück gesehen hat.

BARBARA SCHWEIZERHOF

■ „Moon“. Regie: Duncan Jones. Mit Sam Rockwell, Dominique McElligott, USA 2009, 97 Min.