Rufruinierter Erbsenzähler

MEDIA TENOR Wegen Untreue in elf Fällen wird Roland Schatz zu 22 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt

Schon 2008 bekannten ehemalige MitarbeiterInnen in der taz: „Wir wurden gezwungen zu manipulieren“

Christian Wulff sei im „Medienbild“ erstmals vor Joachim Gauck, meldete sich vor knapp zwei Wochen pünktlich zur Bundespräsidentenwahl ein alter Bekannter aus der Garde der Erbsenzähler in Sachen Medienwirkung zurück: Es war der in die Schweiz geflüchtete Media Tenor von Roland Schatz. „Die Welle der Gauck-Euphorie läuft langsam aus“, erklärte also Roland Schatz, laut Pressemeldung „Gründer und Präsident von Media Tenor International“. Da hatte Gauck gerade seinen umjubelten Auftritt im Deutschen Theater absolviert. Dass es mit der Seriosität von Media Tenor nicht weit her ist, hatten ehemalige MitarbeiterInnen schon 2008 in der taz bekannt: „Wir wurden gezwungen zu manipulieren“

Eine Woche später hatte der ehemals treue CDU-Vasall Schatz dann mal wieder Termine in Bonn, wo sein Institut (Slogan: Carpe Media) bis 2007 firmierte. Allerdings nicht bei der parteinahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Sondern im Landgericht. Hier musste sich Schatz seit Februar wegen Untreue in 150 Fällen, betrügerischen Bankrotts, Insolvenzverschleppung und wegen Vorenthaltens von Arbeitgeberanteilen für die Sozial- und Rentenversicherung verantworten. Das Urteil: Ein Jahr und zehn Monate Haft wegen Untreue in elf Fällen, für drei Jahre auf Bewährung ausgesetzt.

Die Verfahren wegen nicht gezahlter Beiträge in die Pensionskassen von Media-Tenor-Mitarbeitern seien mit Blick auf das Strafmaß eingestellt worden, sagt Joachim Klages, zuständiger Richter am Landgericht Bonn. Außerdem habe der Beklagte die Auflage erhalten, den Schaden wieder gut zu machen und bei Vergleichszahlungen mitzuwirken.

Damit ist nun nicht nur die wissenschaftliche Seriosität, sondern auch der persönliche Ruf des 45-Jährigen hin. Anfechten tut ihn das kaum: Schatz selbst, so das Gericht, habe Zahlungen aus Firmenvermögen auf Konten veranlasst, zu denen nur er persönlich Zugang hatte.

Dass ihm trotzdem seit Jahren renommierte Wissenschaftler wie Frank Brettschneider vom Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Hohenheim oder der auch für die taz in Sachen Leserforschung tätige Dresdner Medienprofessor Wolfgang Donsbach als Mitglieder des „Media Tenor Beirats“ die Treue halten, ist erstaunlich. Vor zwei Jahren ging zur allgemeinen Überraschung auch Danny Schechters Watchblog mediachannel.org eine strategische Partnerschaft mit Media Tenor ein. Er halte zu Schatz, bekomme von den Vorwürfen gegen seinen Partner in Deutschland aber zu wenig mit, bekannte Schechter damals gegenüber der taz.

Das passt zur Chuzpe, mit der Schatz sich und sein Institut bis heute öffentlich in Szene setzt: Da wird auf den deutschsprachigen wie internationalen Websites immer noch frech mit folgendem Testimonial geworben: „Ohne Media Tenors Unterstützung hätten weder die führenden Politiker noch die Öffentlichkeit unsere Arbeit verstanden“. Es stammt – ausgerechnet – von Transparency-International-Mitgründer Peter Eigen. Eigentlich müsste auch die Streichung dieses Zitats unter die Bewährungsauflagen fallen. STG