Gesetzlich verbotenes Aroma

Die Wahrheit-Wochen der kleinen Verbrechen: Tafel Haschisch zur Belohnung

Falls die ganze Sache nicht sowieso verjährt ist, sage ich vorsichtshalber schon mal, dass alles erstunken und erlogen ist und ich mich bloß interessant machen möchte.

Es fing damit an, dass Onkel Rudi den Löffel abgegeben hatte. Er war der Onkel meiner damaligen Wochenendbeziehung H. Der Cousin von H. rief ab und zu völlig aufgebracht an, dass Onkel Rudi mal wieder auf den Tisch gekotzt hätte. Und zwar nicht in seiner Wohnung, sondern in einem Restaurant. Darauf spielte auf der Trauerfeier auch der Pastor an, der eine bewegende Rede hielt über diesen „einzigartigen Menschen, der das Leben geliebt hat“ und „alles, was er vom Leben bekam, voll und ganz weitergegeben hat“. Nämlich seine Kumpels in Nobelläden eingeladen, wo er dann wegen seines Diabetes kotzte, und Angeberautos gekauft, aber seinen drei Frauen überreichte er zum Geburtstag nur Werbegeschenke der Brauerei, bei der er Biervertreter war. Nämlich einen Haufen Bierdosen. Beim Leichenschmaus saß ich neben Rudis Bruder Jürgen, der einen puterroten Kopf und einen an der Waffel hatte und deshalb Konversationskurse an der Volkshochschule besuchte. Antwortete man nicht so, wie es der Kursus vorschrieb, geriet er gleich ins Trudeln: „Madrid ist die Hauptstadt Spaniens“, dozierte er, „dort gibt es ein sehr gutes Museum, nämlich …“ – „Ich war noch nie in Spanien“, sagte ich, „nur im Wendland. Da gibt es eine sehr gute Endlagerstätte.“ Das Wendland hatten sie offensichtlich noch nicht durchgenommen, da schwieg er ganz beleidigt.

Nachdem wir uns verabschiedet hatten, sagte H. nebenbei zu mir, dass wir auf dem Rückweg noch mal kurz zu einer Raststätte fahren müssten, um dort einen Holländer zu treffen. „In Amsterdam“, sagte ich, eingedenk meiner Unterhaltung mit Jürgen, „gibt es sehr nette Polizisten, einer heißt de Gier, der andere Grijpstra, das wird de Chier und Chreipstra ausgesprochen, steht in den Krimis von van de Wet …“ „Her uff mit de Grüne“, sagte H., „die könne mer net brauche.“ Da ahnte ich schon was.

Wir fuhren also los und H. machte „Sound“, wie er das nannte, nämlich aus allen vier Boxen „The Dealer“ von Chico Hamilton mit Larry Coryell an der Gitarre. Ist ja auch egal. Schreibe ich nur, um Zeit zu gewinnen. Jedenfalls kamen wir in der Raststätte an und er schickte mich schon vor, Kaffee bestellen. Ich sah noch, wie er auf und ab marschierte und die anderen Autos musterte. Später saßen wir dann mindestens eine halbe Stunde am Tisch, als ich sagte: „Na, der Holländer lässt sich aber Zeit.“ – „Neenee, der ist schon weg!“ – „Ja was, ich denke, wir sollten den hier …“ Aber H. sagte, er werde mir alles auf dem Rückweg erklären.

Es verhielt sich folgendermaßen: H. hatte im Kofferraum eine Geldtasche mit ich weiß nicht wie viel Tausendmarkscheinen platziert, die der Holländer rausgeholt und durch ein Paket Dope ausgetauscht hatte. Weil, na ja, jetzt muss es doch raus, H. ein Geschäftsmann war, nämlich ein Haschischdealer. Insofern war die Musik schon gut gewählt. Ich fuhr also mit vier oder fünf Kilo Dope im Kofferraum durch die Gegend und dachte schaudernd an meinen Ex-Gatten, der einen noch viel schlimmeren Beruf hatte – er war Redakteur bei der Bild-Zeitung. Der hätte, falls wir von der Polizei aufgemischt worden wären, vermutlich mit Vergnügen getitelt: „Grüne Fanny mit Rauschgift unterwegs.“ Untertitel: „Braut des Heroindealers – ihre Beichte.“ Die können ja angeblich bei Bild die Palette von Stoffen mit gesetzlich verbotenem Aroma nicht unterscheiden, die Koksnasen.

Damals hatte ich nämlich einen völlig belanglosen Posten in der Hamburger Bürgerschaft inne, der von anderen Personen als höchst bedeutend beschrieben wurde, besonders von solchen, die sich entweder dumm stellten oder tatsächlich keine Ahnung hatten, dass ich da nur blöd rumsaß und die verbrecherischen Entscheidungen nicht von mir, sondern von wem anders getroffen wurden.

Zum Beispiel von Axel Springer. Jedenfalls war ich heilfroh, als wir vor H.s Hütte angelangt waren. Zur Belohnung erhielt ich eine Tafel Haschisch, immerhin besser als ein Sixpack.

Es dauerte nicht mehr lange, dann war meine kriminelle Karriere beendet: H. heiratete eine andere und ich stieg aus der Bürgerschaft aus. FANNY MÜLLER